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Schwyz Obdorf, den 27. Okt. 1929

Mein ferner, lieber Alois!

Was wirst Du wohl denken von mir, wenn ich Dich mit Schreiben so lange im Stiche lasse und Deinen so lb. Brief mit den paar unargen Zeilen aus Seelisberg als erwidert lasse. Aber ich hoffe, dass Du an meinem guten Willen nicht zweifelst. So viel und so gern ich auch immer an Dich denke, so ungern wollen eben meine Gedanken aus dem Herzen aufs Papier. Dann war auch die Zeit ziemlich reich an Arbeit, und am Abend suchte ich gerne rechtzeitig das Bett auf, worauf ich mich in Seelisberg so sehr sehnte. Auch habe ich schon ein paar Mal durchnächtelt und wacker das Tanzbein geschwungen, dann war ich nachher halt wieder eine halbe Woche zu faul, um am Abend noch zu schreiben. Am 17. Sept. kehrte ich von Seelisberg heim und war dann am folgenden Montag an der Viehausstellung, die wie gewohnt gut besucht und einen gemütlichen Verlauf nahm. 14 Tage nachher war wieder in Seelisberg Kilbi, wo ich versprochen hatte zur Aushilfe zu kommen. Deine Schwester leistete mir dann angenehme Begleitschaft, da sie mich schon einmal im Sommer besuchen und dann gleichzeitig zu Maria Sonnenberg beten gehen wollten, was wir dann auch 2 als erstes ausführten. Frau Truttmann empfing uns freundlich und hiess s’Marie auch dableiben, damit wir anderntags miteinander wieder heimkonnten. Dann acht Tage darauf war Schwyzer Kilbi. Da war’s im Schäfli wieder „gstunggetvoll“ und das Tanzen kein Vergnügen mehr. Fast besser gefiel mir der Sonntag anlässlich eines Jugendfestes. Die Schulkinder veranstalteten da einen schönen Umzug, der sehr interessant und sinnreich war und auch nicht wenig zum Lachen gab. Ein Brautpaar zog da auf, wie Du und ich noch keins gesehn. Ein 2-3 jähriger Bräutigam in Frack und Gogs und ein noch etwas kleineres schneeweisses Bräutchen Arm in Arm mit ihren unschuldigen Kinderaugen ganz verduzt in die Menge schauend. Ein Anblick zum herzlichen Lachen. Es war überhaupt das Ganze ein rechter Augen- und Ohrenschmaus, kann Dir da aber leider nicht alles aufführen. Auch ein Volk war wie Schwyz es noch selten gesehen. Beim Schulhause wurden 4 Reigen aufgeführt, gesungen, gejodelt und musiziert, wie so eine Art Sennenkilbi. Zum Schluss wurde von allen Anwesenden das „Rufst du mein Vaterland“ gesungen. Der Nachmittag gefiel mir sehr gut, besser als der Montag, dessen Treiben man fast satt ist. Gern, gern hät ich auf was anderes verzichtet, wenn Du mein Liebster, auch hier sein und rechten Gefallen hättest haben können. 3

Und vor 8 Tagen war noch das Ausschiesset in Aufiberg. Die Sieger waren wieder gut aufgelegt, hatten auch gut geschossen. Von 52 Schützen erhielten 17 Kränze und ein schöner Gabentempel stand auch bereit. Bei Fam. Föhn fühlt man sich auch gut aufgehoben. Von Deiner einstigen Bemerkung, dass ich dem Franz von unserem Verhältnis etwas antönen könne, liess ich einstweilen noch unterwegen. Erst in den letzten Tagen besann ich mich so. Nämlich, da über meinen Bruder gerade der Konkurs ausgeschrieben war, was für uns auch keine Ehre ist, wünschte ich mich überhaupt fast lieber daheim und niemandem unter die Augen und in die Mäuler zu kommen. So nahm ich mir vor, unser Verhältnis noch schön zu verschweigen, wäre es doch für Dich auch nicht besonders erfreulich gewesen. Franz hat auch einen Schatz, scheint‘s schon zwei Jahre, ist auch mit ihr zum Tanz gegangen, aber kann Dir leider nicht einmal den Namen angeben. Sie ist bei Fischlins Rickenbach Magd, ein nicht übles Maitli. Der Toni, nachdem er ein paar Rästli mit mir getanzt, kam dann mit mir heim. Wie ich so seine Denk- und Redweise erachte, ist er ein rechtschaffener Bursche und wär der Achtung und Liebe wohl wert. Da er etwas weniges zu essen und trinken weigerte, lud ich ihn ein, das Znüni ein andermal einzuziehen, wozu er gleich einverstanden war. Ich müsst mich in ihm getäuscht 4 haben, sonst hätte er im Sinn mehr zu kommen und hätte ich da gute Gelegenheit mit ihm in Bekanntschaft zu treten, wozu ich offen gestanden, jedenfalls auch dazu geneigt wär, wenn ich nicht schon einem anderen in meinem Herzen Platz eingeräumt hät. Du wirst mir aber wohl nicht etwa misstrauisch oder gar bös werden, wenn ich Dich aufrichtig vernehmen lasse, was auch in solchen Sachen etwa über Weg geht. Hat mich dieser Zufall doch, wie nicht grad einmal, wenn schon dieser oder jener fast liebäugeln wollte, etwas zu bewegen vermacht. Einmal denkt man schliesslich über den Sachverhalt doch ernstlich nach, und Du kannst Dir vielleicht selber ungefähr ein Bild machen, wie es dann für unsereins ist. Jedoch will ich kein Bangen aufkommen lassen. Der lb. Herrgott ist es ja, der es so angeordnet hat, und uns so wunderbar geleitet und geführt und wenn wir immer vertrauensvoll etwas beten, wird er es auch so lenken, wie es für uns am besten ist. Dem Toni aber, wenn er dann kommt, zum Znüni, will ich ihm gleichwohl freundlich und recht begegnen, und wenn es sich wirklich so herausstellt, wie ich vermute, sage ich ihm halt, er soll‘s nicht für ungut haben, es schicke sich für mich nicht wohl, ihn heissen öfter zu mir zu kommen, um etwa Bekanntschaft anzufangen, weil ich bereits mit einem im Briefwechsel sei. Auf das Abraten meiner lb. Eltern, will ich aber 5 dessen Namen nicht verraten. Denn sie könnten doch Recht haben, wenn sie meinen, solche Sachen werden ja gern weiter getragen und da man nicht wissen könne, wie sich alles noch herausdrehe, sei es am besten, wenn es noch unter uns bleibt. Kommt es, wie wir meinen, ist es ja immer noch früh genug, zum auskommen lassen, sollte aber alles doch anders kommen, hät man wenigstens weniger schadenfrohe Gönner zu fürchten. Wenn Du jedoch gerne Deinem Freunde davon zu merken gibst, hab ich gewiss gleich nichts dagegen. Aber nun einmal was anderes. Sehr befriedigt bin ich über den Verlauf des Sommers.

Wenn einem auch nicht immer alles in den Kram passte, und man bei sich dachte, das nächste Jahr könnt ihr mir alle den Buggel aufsteigen, ich komme nicht mehr, wenn einmal der Rummel vorbei ist, kommt wieder eine andere Laune und vergisst man das unangenehme wieder viel, wenn zuletzt alles glatt abschliesst. Dann hat man auch schneller ein paar Franken beisammen, statt dass man auf einer gewöhnlichen Privatstelle nahezu einen Monat schaffen müsst, um das was man auf diese Weise ineinandergerechnet in einer Woche verdient. Allerdings mit etwas mehr Auslagen muss man auch rechnen. Dazu konnte ich mich soweit auch immer eines guten Befindens freuen und gut zweg, ausser dass ich allerdings diesen Herbst mehr oder weniger dem Pfnüsel und Husten unterworfen bin, woran noch der viele Durchzug in 6 Seelisberg schuld sein mag. Sonst befinden wir uns alle gesund und munter und sind soweit zufrieden mit unserem Dasein. Stünde es nur bei Josef auch so, aber leider ist dies wie schon angetönt, nicht der Fall und wird jedenfalls um alles kommen. Wenn er nur endlich nachher einsehen würde, dass es seine eigene Schuld ist, und lernen würde besser zu werkschaffen.

Deine Schwester hat Dir scheins kürzlich auch geschrieben. Sie lasse Dich nochmal frdl. grüssen. Sie wird Dir wohl ihre Angelegenheiten auch mitgeteilt haben. Jedenfalls brauchte es schon eine “gspässige”, dass sie in Frieden neben den Fräuleins Lindauer leben könnt und für den Karl ist es wohl begreiflich auch eine etwas schwierige Situation. Wenn ich mich nicht täusche, ist s‘Marie deshalb nicht in Verlegenheit und hat wieder einer, der sie so gerne sieht, wie sie ihn und der noch den Weg zu ihr finden könnt oder ”glaubi scho gfundä het.” Will mich jedoch nicht weiter einmischen, mag es aber beiden von Herzen gönnen, wenn sie sich beglückt fühlen könnten. Nun aber zum Schluss.

Ich möchte Dir nochmals herzlichst danken für Deinen letzten lb. Brief, und Dich bitten mir ja nicht übel zu nehmen, dass ich solange kein Zeichen mehr gab, aber ebenso wenig etwas von dem, was ich hier in guter Absicht aus aufrichtig liebendem Herzen geschrieben habe. Gerne hoffe ich, dass Du auch gesund und wohl seiest und auch 1-2 vergnügte Tage erleben konntest, deren ich Dir zwar gerne abtreten würde. Also, in christlicher Liebe Gott befohlen, schliesse ich meine Zeilen in dem ich Dich, mein lb. guter Alois, aufs innigste grüsse und küsse als Dein treues

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Beiliegend äs paar schöni Gautli.

Käthy Betschart

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