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Seelisberg, den 15. Sept. 1929

Mein liebster Alois!

Da es noch nicht so spät ist, will ich mich nun des süssen Schlafes noch ein bisschen erwehren und statt der blossen Karte Dir noch in Kürze ein paar Zeilen zukommen lassen. Zwar weiss ich ja keine Neuigkeiten, da mir während des ganzen Sommers nicht viel anderes übrig geblieben ist, als von früh bis spät an der Arbeit zu sein. Es setzte nämlich schon beizeiten ein und von anfangs Juli waren es immer 30-40 Kurgäste ohne die Passanten. Das durfte man "schaffen" nennen und dann wenn man so um 11-12 oder noch später zum Feierabend kam, wie gern legte man sich hin zur süssen Ruh. Wir (Zimmermädchen und ich) zählten endlich fast die Tage bis mitte August, wo man denken könnte, es fange dann an rückwärts zu gehen. Nun hatten wir Bettag und bis dahin dank des herrlichen Wetters noch eine schöne Anzahl Gäste, wie noch selten. Aber jetzt gehts dem Ende entgegen und ich hoffe in wenigen Tagen wieder daheim bei meinen Lieben zu sein. Einerseits freue ich mich sehr, dies Hotelgetriebe 2 wieder mit dem trauten Familienleben vertauschen zu können, aber anderseits denk ich auch wieder an die schönen Einnahmen, die einem so entgehen. Vorderhand aber will ich zufrieden sein mit dem Verlauf der Sommersaison, da ich mich nun nach des Sommers Strenge des besten Wohlbefindens freuen kann.

Will Dir auch ja nicht vergessen zu schreiben, dass mich Dein lb. Brieflein sehr gefreut und unsere gegenseitige Lage so recht zum Bewusstsein gebracht hat. Möge es nun Gott auch so gefallen und mit seiner segnenden Hand glücklich zum Ziele geführt werden.

Beim Lesen betreff Namenstag, konnte ich auch nicht anders, als mich lebhaft in ein solch trautes Beisammensein vergegenwärtigen. Wie müsste das doch nett sein, statt durch Meer und Berge so weit getrennt zu sein und auf all dies innige herzen und küssen zu verzichten. Hoffen wir aber trostvoll, dass uns dafür auch die Freude und Glück erblicke für die ferne Zukunft. Nun aber lb. Schatz! entschuldige, dass ich Feierabend mache. Es ist nun Zeit zum Schlafen gehen. Hoffe daheim wieder ein grösserer und sorgfältiger Brief auszufertigen. Verzeih diesen Sudel, es musste eilig gehn und empfange Du diese in Liebe geschriebenen Zeilen mit den herzlichsten Grüssen und Küssen von Deinem treuen

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Gott behüte Dich und mich

                            Käthy Betschart

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Seelisberg, den 15. Sept. 1929

Liebster Alois!

Als kurze Erwiderung Deines lb. Briefes sende ich Dir einen herzlichen Kartengruss aus Seelisberg, indem ich Dir vorläufig innigen Dank schreibe für Deine freundlichen Zeilen. Hoffe bald wieder eher Zeit zu finden um mehr zu schreiben, da nun die Saison zu Ende geht. Sie gestaltete sich wieder ziemlich streng und langandauernd und frohe und minder frohe Stunden wechselten ab. Will mich jedoch zufrieden stellen und kann ich Dir nur ein glückliches Wohlbefinden melden. Hoffe Dich ebenfalls in dieser Lage und wirst ein längeres Ausbleiben eines Briefes verzeihen. Als treues Liebeszeichen möge dies Kärtlein Dir viel herzliche Grüsse und Küsse überbringen von Deinem

                            Käthy Betschart

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