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Salinas (Calif), den 08. Aug. 1929

Mein fernes Lieb!

Schon sind wieder 6 Wochen verflossen seit ich Dein so lb. Brieflein in meine Hände bekam und nun will ich es endlich beantworten. Vorerst möchte ich Dir Dank, herzinnigen Dank sagen für die so lb. Zeilen, die ich mit Freuden und sicher auch mit warmem Empfinden gelesen habe. Ich kann es begreifen, dass es für Dich sicher kein leichtes war, diesen Brief zu schreiben, denn es ist darin manches enthalten, an das ich nicht gedacht hätte, als wir uns bei unserem Abschiednehmen das letzte Mal tief in unsere Augen geschaut und einander innig die Hand gedrückt haben. Hätte ich gewusst, dass es so weit kommen würde, hätte ich vor meiner Abreise sicher noch einmal den Weg zu Dir unter die Mythen gefunden. Auch hat mich Dein lb. Kärtchen auf den Namenstag sehr gefreut, es kam 2 grad am 21. mittags an und kann Dir versichern, dass auch meine Gedanken sehr nahe bei Dir gewesen sind und würde vieles daran gegeben haben, Dir Gelegenheit zu bieten, mir den Hals zu messen. Hättest sicher ziemlich drücken dürfen, aber nachher hätte ich Dich sicher auch gedrückt, aber nicht um den Hals sondern an mein Herz und ich denke kaum, dass Du Dich allzu sehr gegen das gewehrt haben würdest. Ich kann es mir in Gedanken fast ausmalen, wie schön das einmal wäre. Hoffen wir aber, dass der Herrgott alles so leiten werde, dass es einmal dazu kommen möge. Also, nochmals herzlichen Dank für Brief und Karte und einen ebenso süssen Gruss für die lb. umfangreichen Zeilen.

Nun versuche ich, einiges aus dem Briefe herauszugreifen. Vorerst muss ich Dir gestehen, dass mir der ganze Brief sehr wohl getan hat. Hat er doch gezeigt, dass Du mich nun im Laufe unseres Briefwechsel achten, schätzen und lieben gelernt hast und mir ein Vertrauen entgegenbringen kannst, 3 wie Du es bisher keinem anderen Burschen entgegenbringen konntest. Möge es Gott geben, dass Du mir diese Achtung, Liebe und dieses Vertrauen immer entgegenbringen kannst, dann werden wir unser Verhältnis und, wenn es auch zum Ziele führen sollte, nie zu bereuen haben. Ich weiss gut genug, dass wir unsere Bekanntschaft auf eine sehr riskierte Weise begonnen haben und uns ein Meer voneinander trennt und dass sich noch manches ändern kann, als es jetzt in unseren Sinnen ist, bis wir uns wieder einmal Aug in Aug schauen können und unsere Angelegenheiten mündlich besprechen können. Aber wenn es der Wille Gottes ist, wird er alles so leiten, wie es jetzt vor unseren Augen steht, sollte aber wieder alles anders kommen, dann ist es sicher auch sein Wille. Wir wollen nun aber an das letztere nicht denken, vielmehr unsere einander gegebenen Worte zu halten und zu verwirklichen suchen. Wir wollen hoffen, dass sich besonders Deine Befürchtungen nicht erfüllen werden, betreff dem, dass es mir draussen nicht mehr gefallen werde. Du darfst 4 mir glauben, dass ich mir diese Sachen schon oft, sehr oft überlegt habe. Ich will Dir da aufrichtig schreiben, wie ich da über alles denke. Schau, mein lb. Käthy. Es ist ja schön in Amerika solange man jung und besonders auch gesund ist. Dann kann sich‘s einer viel besser durchs Leben schlagen als daheim. Wenn einer aber älter wird oder in jungen Jahren Krankheiten durchmachen muss, oder einer etwas umhergeworfen wird, nie eine Stelle erhält, die ihm gefällt und er nicht längere Zeit auf einer solchen bleiben kann, dann ist es auch nicht mehr so schön. Ich konnte mich nun allerdings immer einer guten Gesundheit erfreuen und habe nun auch eine Stelle, die mir gefällt, aber es kann auch wieder einmal anders kommen. Und nun auch noch einmal etwas über das Heiraten in Amerika! Es dürfte Dir bekannt sein, dass ein sehr grosser Teil Schweizer nicht heiratet. Es hat das seine verschiedenen Gründe. Einmal hat es viele, die überhaupt nicht begehren zu heiraten, andere würden vielleicht heiraten, wenn sie ein Mädchen kriegen würden, das Ihnen gefällt. Aber die Auswahl in Schweizermädchen ist hier eben nicht so 5 als in der Schweiz, da eben viel mehr Burschen in dieses Land kommen als Mädchen und die Schweizer heiraten verhältnismässig wenig Amerikanermädchen. Gegen den Osten, also gegen New York zu, soll es etwas besser sein, hier geborene Schweizermädchen zu bekommen, weil dort die Farmen viel kleiner sind und es somit auch viel mehr Familien hat als in Calif, wo oft 20-30 ja bis 50-60 Arbeiter auf einem Platz sind. Ob ich nun ein Mädchen bekommen würde, wie Du meinst, weiss ich nicht, habe es auch noch nie versucht. Denn draussen einen Schatz haben und hier auch einen, geht wider meinem Sinn. Natürlich wenn einer etwa zum Geld schauen kann und sich immer etwa wie ein Mensch aufführt, hat einer auch Gelegenheit mit Schweizermädchen Bekanntschaft anzufangen, aber wie gesagt, es ist viel schwieriger als daheim. Ich spare es allerdings nicht, wenn ich mich gelegentlich an Schweizertänzen mit den Mädchen lustig machen kann und ich weiss ja auch, dass Du mir solches nicht verargest, so wenig ich Dir etwas verargen kann, über das was Du mir im letzten Brief mit Offenheit geschrieben hast. 6

Doch ich will heute über diese Sache Schluss machen. Es ist ja alles auf guten Wegen wie wir es fast besser nicht wünschen können. Wir wollen nun alles dem lb. Gott überlassen und ihn darum bitten, dass er uns durch alle Freuden und Dornenwege gut weiterleiten möge zum Ziele, dem wir jetzt entgegenstreben. Ich schliesse also dieses Thema, indem ich Dir noch einmal ganz besonders danke für die Zeilen, die Du mir im ersten Teil geschrieben hast und hoffe, dass der lb. Gott alles leiten möge, dass Du diese Zeilen nie bereuen musst.

Etwas überrascht war ich ob Deiner Neuigkeit wegen dem heimkommen, da es für mich auch das neueste war. Weiss dann schon nicht, wieso die Leute so etwas schreiben können. Fässler Karl war einmal hier, ich glaube im Februar, aber ich habe doch kein Wort von so etwas gesagt. Er hatte zwar hie und da „gspässige“ Grillen im Kopf. Wenn ich dann einmal heim komme, müssen es Dir gewiss nicht andere Leute zuerst sagen. Habe es letzthin heim geschrieben, dass sie noch 7 etwas Geduld haben müssen. Es hat mich allerdings fast ein wenig angheimelet, als ich las, der Vater habe eine solche Freude gehabt. Er denkt scheint‘s auch noch hie und da an seine Buben.

Über das, was Du mir von Deinem Bruder Josef geschrieben hast, kann ich da nicht viel schreiben. Ich kann es Dir gut glauben, dass es Dir und auch besonders Deinen lb. Eltern weh tut, wenn er finanziell nicht besser steht und vielleicht alles verlieren muss. Die Autos haben auch hier schon manchen ums Geld gebracht, sonst hätte ich auch schon längst eines gekauft.

Mein Bruder Josef befindet sich immer noch auf der gleichen Stelle in Banta bei einem Amerikaner. Seit er ins Land kam, habe ich ihn nie mehr gesehen, denke er kann nun schon etwas Englisch, vielleicht besser als ich, denn ich verlerne hier wieder mehr als ich lerne, da fast alles Schweizer auf dem Platze sind und immer deutsch geredet wird. Es ist nun am 25. des Monats ein Schweizertanz in San Jose, vielleicht dass wir ihn beide besuchen um einander wieder einmal zu treffen. Es kann auch sein, dass ich die Arbeit für 8 2-3 Tage ablegen und dann wieder einmal zu Enders nach Banta gehe. Familie Reichmuth ist auch dort, würde diese dann auch einmal sehen können. Seit meinen Ferien habe ich bis jetzt nur ein Melken ausgelassen vor etwa drei Wochen als hier das sogenannte Rodeo, d.h. Pferderennen, war. Es dauerte dieses Jahr fünf Tage und ist das grösste dieser Art in Calif. Es werden hauptsächlich wilde Pferde und auch grosse Stiere geritten. Etwas was man daheim nie sieht. Es fliegt da hie und da einer nicht gerade sanft hinunter. Letzthin waren auch zwei Familientänze in der Nähe und ich habe da den Mut etwas auslassen können. Am anderen Morgen war es dann nicht mehr so gemütlich ohne Schlaf 30 Kühe zu melken. Wir haben sonst immer viel mehr Milch diesen Sommer als den letzten. So 500 l im Durchschnitt pro Tag. Beim zweiten Tanz habe ich mich dann auch noch ziemlich erkältet, aber es geht mir wieder gut. Nebst dem befinde ich mich immer gesund und wohl, was ich von Dir mein Liebchen, wie von all Deinen Lieben auch gern hoffe.

Ich will nun für heute schliessen indem ich hoffe, dass Du mir nichts ungern hast in diesem Brieflein, es ist gewiss alles mit treuer Liebe aus dem Herzen geschrieben und nun empfange recht viele herzliche Grüsse und innige Küsse von Deinem treuen

                                  Louis

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