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Salinas (Calif), den 10. Mai 1929

Mein Geliebtestes!

Da ich so schön Zeit habe und die Töne eines Orgelers zu mir von einem Nachbarzimmer dringen, die meine Gedanken so recht heim und besonders zu Dir gehen lassen, will ich zur Feder greifen um Dein so lb. Brieflein zu erwidern. Es hat mich dieses wieder von Herzen gefreut, hat es doch Deine treue Liebe, die Du mir entgegenbringst und auch entgegenbringen kannst, wieder aufs Neue bewiesen und ich möchte Dir für die Zeilen wieder von Herzen danken. Allerdings war der erste Theil nicht so recht aufmunternd zu lesen, aber ich muss gestehen, dass ich diese Antwort erwartet hatte und ich mich beim Lesen desselben nicht zu sehr aufgeregt habe. Ich ahnte ja schon, dass es dir ungemein schwer fallen würde, das heimelige Schwyzerländli mit einem fremden Lande zu vertauschen und es Dir jedenfalls, wenn auch schweren Herzens, aber doch leichter 2 gehen würde, unser inniges Verhältnis zu brechen als der Heimat Lebewohl zu sagen. Aber ich habe mir die Frage doch einmal erlaubt, denn es liess sich vorher nie etwas über diesen Punkt vernehmen, und nun hast Du mir über alles klare und deutliche Auskunft gegeben. Ich kann Dich da in allem gut begreifen, denn ich weiss gut genug wie ungern die Schwyzer Mädchen die Reise übers grosse Wasser machen, um sich dann dauernd in diesem Lande niederzulassen. Es ist nicht meine Absicht die Frage da weiter aufzurollen, ich darf Dir aber versichern, dass wenn Du alles sehen könntest und auch wirklich wüsstest, wie es in Amerika zu leben ist, nicht grad so bestimmt schreiben würdest, denn es sind gewöhnlich die Frauen, die, wenn einmal einige Jahre in diesem Land gelebt, am unliebsten wieder in die Schweiz zurückkehren und ich kenne solche, die mit Familien in die Heimat zurückkehrten, um sich dort dauernd niederzulassen, die Frauen dann wieder die ersten waren, die wieder nach Amerika zurück wollten. Soviel ich gemerkt habe, hätte es auch der Familie Eberhardt 3 nicht mehr grosse Lust gemacht, für dauernd in der Schweiz zu bleiben. Ich möchte allerdings nicht weiter in Dich dringen zu kommen, schon Deinen lb. Eltern wegen nicht, denn ich weiss gut genug, wie schwer es ihnen fallen würde, ihre einzige Tochter in ein so fernes Land und eine so ungewisse Zukunft ziehen lassen zu müssen. Wir wollen vielmehr Gott bitten, dass er mich wieder als gesunder Bursche in die Heimat kehren lasse und mir die Gnade gebe, dass es mir draussen wieder gefallen werde und sich dann unsere Wünsche verwirklichen werden. Gäll, mein liebstes Käthy, Du hilfst mir auch etwas beten für das, wie ich es jeden Abend auch mache. Wir wollen immer alles Gottes bestem Willen überlassen, es wird sich mit der Zeit alles etwa fügen, wie es in seinem Willen festgelegt ist.

Mit schwerem Herzen will ich nun einmal über etwas schreiben, über das ich Dir schon öfters gern geschrieben hätte, aber da ich Angst hatte, es könnte von Dir falsch aufgefasst werden, nie aus der Feder wollt. 4

Mein liebstes Käthy, Du teuerste Seele, die ich neben meiner lb. verstorbenen Mutter selig besessen, mögest Du die folgenden Zeilen auffassen wie ich sie hier aus meinem Herzen schreibe und von Dir nicht missverstanden werden. Es ist mir zwar schon schwer über diesen Punkt zu schreiben, aber da Du meine treue Liebe zu Dir kennst, hoffe ich, dass Du mich da in allem verstehen wirst und nichts, auch gar nichts falsch auslegen wirst. Schon sehr oft, wenn ich über unser Verhältnis nachdachte und auch besonders, wenn ich Deine so lb., schönen Briefe durchlese, ist mir schon unzählige mal der Gedanke aufgestiegen, dass es für Dich wirklich sehr schwer ist, so in eine ungewisse Zukunft hinein zu leben. Und nun möchte ich Dich einmal offen und ehrlich fragen, hättest Du noch nie Gelegenheit gehabt mit einem ordentlichen Burschen in Bekanntschaft zu treten oder noch könntest, bei dem Du einer glücklichen Zukunft entgegengehen könntest. Ich will Dir da offen und ehrlich schreiben, dass ich Dir dann in diesem Falle nicht im Wege stehen möchte. Du wirst vielleicht etwas misstrauisch über diese Zeilen hinweggehen, aber ich muss Dir diese einmal schreiben, denn ich könnte es bei meinem Gewissen nicht verantworten 5 wenn sich alles anders drehen sollte, als es unsere ehrliche Absicht jetzt ist. Ich müsste nun nur einmal krank werden und dabei wieder viele Dollar verlieren oder mich mit der Zeit nur mehr ungern oder gar nicht mehr entschliessen könnte, was ja Gott alles verhüten möge, in die Heimat zurückzukehren, dann wäre ich an allem schuld, wenn Dir vielleicht gute Partien entgehen sollten und ich könnte dieses vor Dir nie verantworten. Und nun sind die Worte geschrieben und nun möchte ich Dich, mein Liebstes von Herzen bitten, diese nicht zu schwer aufzufassen und vor allem Dich auch bitten, diese zu lesen wie ich sie aus treuer Liebe aus meinem Herzen schreibe. Mögest Du sie vor allem nicht so auslegen, dass ich dieses schreibe um einen Abbruch unserer Bekanntschaft zu bezwecken, wenn ich das im Sinn hätte, würde ich es Dir offen und ehrlich schreiben. Du bist mir gewiss immer noch so lieb oder wenn dies möglich ist noch lieber als an dem Tag, an dem wir uns das letzte Mal tief in unsere Augen geschaut und voneinander Abschied genommen haben und nur mein Herz allein weiss, was Du mir bist, denn ich weiss gut genug, dass ich nie mehr einem Mädchen das Vertrauen und die Liebe entgegenbringen kann wie eben Dir und ich weiss auch, dass ich nie mehr Gelegenheit haben werde mit einem solchen Mädchen in Bekanntschaft zu treten. 6

Es ist auch mein innigster Wunsch, wenn sich unser Verhältnis in der bis jetzt geführten ehrlichen und treuen Absicht weiter erhalten werde und dieses mit der Zeit seinem Zweck dienen werde, den wir jetzt verfolgen. Du ahnst nicht, wie hart es für mich war und wie viel Kopfzerbrechen mir diese Zeilen verursacht haben, bis ich Dir diese tiefsten Gefühle aus meinem Herzen geschrieben hatte, in einer Weise, dass ich denken und hoffen darf, dass sie von Dir richtig verstanden und von Dir nicht falsch ausgelegt werden. Ich möchte Dich bitten, mir nicht zu zürnen wegen dem, es ist gewiss alles aus herzlichster Liebe zu Dir geschehen und geschrieben worden von einem treuen Freund, der nur Dein Bestes will. Es sind eben harte Sachen, die wir uns in diesen Briefen zu schreiben haben und würde es uns viel viel leichter gehen, wenn wir uns Aug in Aug schauend, über solche Fragen aussprechen könnten, wie Du ja auch schreibst, aber es ist doch besser, wenn wir unsere Herzen immer in offener und ehrlicher Weise voneinander ausschütten und voreinander nichts zu verbergen suchen. Und nun möchte ich das innige Küsschen, mit dem Du Deinen ersten Theil beendet, von Herzen erwidern und über diese Sache schliessen. 7

Ich möchte nun kurz auf einiges aus Deinem lb. Briefe erwidern. Wie es scheint, wären wir wegen der Beschäftigung so ziemlich bei gleicher Meinung, wenn es einmal dazu kommen sollte, dessen Ziel wir jetzt zustreben. Dass ich dem Wunsche gern nachkommen würde, so- wenn es die Verhältnisse gestatten, dass man sich in und ausserhalb des Hauses zeigen dürfte, ist selbstverständlich und brauche ich Dir, so hoffe ich, nicht viel darüber zu schreiben. Dass Du mir etwas über Dein Alter geschrieben, hat mich gefreut. Dein Alter war mir bis jetzt unbekannt, hatte Dich aber so auf dasselbe geschätzt. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr an Deinen Namens- und Geburtstag denken werde und Dich mit einigen Zeilen erfreuen kann. Die Ostergrüsse von Deinen lb. Eltern möchte ich auch noch herzlich verdanken. Von Deinen lb. Verwandten habe ich seit meinen Ferien nichts mehr vernommen, hatte zwar ein Ostergrüsschen geschickt, wie sie mir gesagt haben, wollen sie dann einmal nach Salinas kommen im Verlaufe des Sommers. Ob sie es nun dazu bringen, weiss ich auch nicht.

Und nun noch einiges aus hiesigem Leben aus letzter Zeit. Wie Du etwa weisst, hat Familie Reichmuth die grosse Reise gewagt und sie sind auch glücklich bei Enders in Banta angekommen, wie mir mein Bruder Josef geschrieben. 8

Sie können sich nun hier jedenfalls besser eine Existenz sichern, als draussen, nach allem Missgeschick, das sie erlebten. Wie Josef geschrieben, ist die Ankunft tüchtig gefeiert worden, es waren fast alle Verwandten beisammen und es soll auch wacker getanzt worden sein. Frau Reichmuth habe das erste Mal seit ihrer Verheiratung getanzt, sie soll es zwar noch nicht verlernt haben. Mein Bruder Josef befindet sich bei einem Amerikaner in Banta, es soll ihm zwar die Stelle nicht recht, aber dieses Land im allgemeinen ganz gut gefallen.

Von meiner Wenigkeit kann ich Dir nicht viel Neues schreiben, befinde mich immer bei guter Gesundheit. Hatte zwar vor 3-4 Tagen ein sog. Milchsari (Eiter unter dem Daumennagel) die einem beim Melken etwas plagen können und mich zuerst beim Schreiben dieses Briefes etwas gehindert hat, wie Du es aus der Schreibweise ersehen dürftest. Aber nun ist es wieder weg und es hat eben lang genug gedauert bis ich diesen Brief beisammen hatte, es geht auch nicht immer so schnell wie Du glaubst. Und nun, mein liebstes Käthy, will ich schliessen. Nimm mir ja nichts übel auf, wenn ich zu viel geschrieben und Dir zu nahe gekommen sein sollte. Und ich möchte Dich noch einmal von Herzen bitten, alles zu lesen wie es ist und keine falschen Schlüsse daraus zu ziehen. Empfange wieder recht viele herzliche Grüsse und Küsse von Deinem treuen

                                  Louis

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