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Brunnen, den 30. Mai 1932

LiebsterAlois!

Obwohl ich zwar nicht recht aufgelegt bin zum Schreiben, will ich doch versuchen, Dein lb. Brieflein so gut als möglich zu beantworten. Vorerst herzlichen Dank für dasselbe. Es hat mich zwar etwas enttäuscht, und ich hätt lieber gelesen, Du verabschiedest Dich nächstens in Amerika, um in die Heimat zu fahren. Scheint’s wars aber noch nichts und sollen wir auch etwas die schlechten Zeiten spüren. 2

Nun soll ich meine Meinung äussern, aber mein Herzlieb, da ist guter Rat teuer. Ich kann gut begreifen, dass es Dir Gedanken macht, unter diesen Umständen heimzukommen. Ich will auch nicht weiter darauf dringen, Amerika zu verlassen, aber wenn Du Dich doch dazu entschliessen solltest ohne das ausgeliehene Geld zurückzuerhalten, so wollte ich unbedingt einen Schuldschein in den Händen haben, und womöglich, dass er verzinst würde. Nicht nur, um den Zins zu ziehen, ich meine umso eher trachtet ein Schuldner darnach, die Schuld zu tilgen, wenn er sie verzinsen muss. Du musst halt nicht vergessen, dass man sich 3 unter Verwandten manchmal zu gern auf die Gutherzigkeit und Geduld des andern stützt. Vielleicht würd’s auch nicht schaden, wenn Du mit Deinem Bruder darüber reden würdest, dass er sich schliesslich der Sache annehmen wird, wenn er noch länger zu bleiben gedenkt. Du kannst aber nach Deinem Gutfinden handeln. Willst Du Deine Absichten ausführen, und wie Du geschrieben, im Juni– Juli heimzukommen, so freut es mich sehr. Besinnst Du Dich aber anders, so kann ich es ja wohl verzeihen und Deine leidliche Lage begreifen. Hingegen, lieber Alois, wie sehr mein Herz voll Liebe immer noch an Dir hängt, kann ich nicht versprechen, wieder länger zu warten und diesem Verhältnis, 4 das sich so noch lange verziehen könnt), hinzugeben. Ich hoffe jedoch, Du habest das Examen gut bestanden und seiest jetzt Amerikabürger und werdest Deine Pläne doch ausführen. Am Tram eine Anstellung zu finden, liegt jetzt ausser meinen Gedanken, denn es sind da einige junge Aushelfer, die denk auch drauf warten, so dass einer jedenfalls lange ein schlechtes Auskommen hätt. Vielleicht könnt’s etwas geben an der Stoosbahn, die nächstens in Angriff genommen wird. Wenn sich einer früh genug melden wird, und bis es so weit ist, schliesslich am Bau schaffen würd, vielleicht wär etwas zu erreichen. Vielleicht? Leider sind mir die Persönlichkeiten dieses Unternehmens unbekannt. 5

Nun, lieber Alois, will ich zum Schlusse kommen. Ich weiss nicht, ob Du mein Schreiben entziffern kannst, ich leiste da je länger je schlechtere Arbeit. Der Inhalt will also heissen, tue in Gottesnamen wie Du für richtig findest zu Deinem Nutzen. Du bist mir ja lieb und teuer, aber ich bin auf jegliches gefasst und hab das Gefühl, es sei nun an der Zeit, dass sich unsere Herzen zusammenfinden oder das Verhältnis aufgeben. Ich begreife und bedaure aufrichtig Deine Lage, hoffe, Du werdest mich auch begreifen und mir verzeihen, wenn ich Dir mit diesem Bericht weh getan haben sollte. Mit kindlichem Herzen sei alles dem Allerhöchsten unterstellt. 6

Nun sollt ich noch eine Portion Grüsse ausrichten: vom Obdorf, war letzte Woche wieder einmal droben. Sie befinden sich alle gesund und wohl. Im April hat’s ja wieder Zuwachs gegeben, und beglückt sie ein gesundes liebes Mägdlein. Der Bub ist ein kräftiges und herziges Kind und "spämgfelt schon grossartig umänand". Ich selber freue mich auch eines guten Befindens, ebenso meine lieben Eltern, und hoffe, es sei auch bei Dir der Fall. Indem nochmals Gott befohlen, schliesse mit warmem Empfinden und sende Dir herzliche Grüsse und Küsse Dein treues

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Lieber Alois!

Habe im Brief gar nicht daran gedacht, dass es schon an der Zeit sei Dir zu gratulieren. Entschuldige. Wünsche Dir von Herzen viel Glück und Freude zum Namenstag. Wie gerne würde ich es mündlich ausrichten, wär grad recht aufgelegt. Aber es soll ja so auch die vollste Geltung haben.

Sei also herzinnig gegrüsst und geküsst v. Deinem

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                            Käthy

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                            Käthy

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