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Salinas (Calif), den 17. April 1932

Mein Liebstes!

Es ist nun bald Zeit, dass ich mich niedersetze, um Dir Dein lb. Brieflein, welches ich mit Freuden und bestem Dank erhalten habe, zu erwidern. Es wäre nun alles schön und recht, wenn man nur die schlechten Zeiten besser machen könnte, aber Deinem Schreiben zur Folge muss es in der Schweiz noch schlechter sein als ich vermutet und nimmt es einem nun Wunder, wie das wohl alles enden soll. Du darfst es mir glauben, dass meine Gedanken in letzter Zeit viel bei diesem Punkt und unserem Verhältnis geweilt haben und ich meine Lage nun so gut als möglich aufs Papier bringen will. Hoffe, dass Du mich in allem verstehen wirst und nichts anderes anrechnen wirst als ich es Dir eben schreibe.

Mein Vorhaben, noch einmal an die S. S. B. und Brunnen-Morschach-Bahn zu schreiben, habe ich 2 ausgeführt und diese Woche den Bericht von letzteren erhalten, mit der Antwort, Personal vollzählig, kannst es dann selber lesen. Von der ersten erwarte ich jeden Tag Bericht. Ich hoffe, sie wird besser ausfallen, aber ich zweifle eben schon daran. Das ist aber noch nicht alles. Wie Du weisst, habe ich Geld ausgelehnt und zwar (ich möchte Dich bitten dieses für Dich zu behalten) an meine Verwandten Enders und an mein Reisegefährte Josef Tschümperlin, der Dir ja auch bekannt ist. Bei Josef ist alles in Ordnung und hat er mir gestern gesagt, dass er mir das Geld auf den Sommer geben kann, wenn ich in die Schweiz wolle. An Enders habe ich vor etwa drei Wochen geschrieben, aber dort scheint es dann schwieriger zu sein. Während Josef nur Kühe hat und alles Heu kauft, haben Enders vor ca. 8-9 Jahren 80 Jucharten Land gekauft auf Abzahlung und da der Milchpreis stark gesunken ist, ist es für sie schwer, die Abzahlungen einzuhalten und das Land lassen sie auch nicht mehr gern fahren, auch mussten sie 3 in den letzten Jahren ziemlich Heu kaufen, da das Land nicht mehr gut war. Letzten Winter haben sie nun das meiste umgepflügt und frisch eingesetzt, ein Verfahren, das in Calif. alle paar Jahre gemacht werden muss, wenn man Nutzen aus dem Land haben will. Wenn sie dann wieder einmal genug eigenes Heu haben, wird es auch wieder besser gehen, aber gegenwärtig ist es Ihnen mit bestem Willen nicht möglich, das Geld, welches sie mir seit August 1930 schulden, zurückzugeben. Es sind 1200 Dollar oder 6000 Franken.

Ich denke nicht, dass ich davon welches verlieren muss, mit der Zeit werden sie schon wieder auf die Füsse kommen, aber ohne dieses heimzukommen ist so eine Sache. Möchte Dich aber bitten, mir zu schreiben, was Du darüber denkst.

Am 6. Mai wird es sich nun entscheiden, ob ich amerikanischer Bürger werde oder nicht. Das Examen ist an diesem Tag und wenn man genug von der amerikanischen Geschichte und Regierung 4 in englischer Sprache zu berichten weiss, wird es gehen, im anderen Fall halt eben nicht. Wir gehen nun alle Wochen an vier Abenden in die Schule. Dies ist auch der Grund, dass ich Dir nicht früher geschrieben. Am 9 Uhr ist es aus, dann noch etwa 14 km mit dem Auto fahren (ich selber bin aber immer noch zu dumm selber mit einem zu fahren, aber sie sind auch ziemlich kostbillig und das ist auch der Grund, warum ich noch keins habe) und am 1½ Uhr heisst es wieder auf. Eine gspässige Ordnung in Amerika, nicht wahr! Sollte ich das Bürgerrecht erhalten, könnte ich, wie glaube schon im letzten Brief geschrieben, in zwei Jahren mit einer Frau nach diesem Lande zurückkehren. Möchte zwar bemerken, dass ich nicht auf dieses trachte, aber in diesen Zeiten ist es doch besser, wenn man etwas vorsorgt. Die Verhältnisse sind hier auch sehr schlecht, aber ich möchte Dich doch fragen, was Du darüber denkst. Wie das Leben etwa ist, werden Dir vielleicht Deine Verwandten gesagt haben. Es wäre alles recht, wenn ich erst 5 2-3 Jahre im Land wäre. So kann ich es aber gut begreifen, wenn Du nach langem Warten auf eine Entscheidung drängst. Sie haben uns zwar den Lohn auf den März auch wieder um zehn Dollar abgesetzt, haben aber immerhin noch 80 Dollar oder 400 Franken im Monat, natürlich braucht man auch immer davon. Wir können aber noch zufrieden sein, an anderen Plätzen haben sie so zwischen 50-70. Die hohen Löhne sind nun halt vorbei und um selber etwas anzufangen, braucht man noch etwas mehr Geld als ich habe, bei diesen schlechten Zeiten mit der grossen Konkurrenz.

Josef ist immer auf dem gleichen Platze und wie ich, auch immer gesund und munter. Von Deinen Verwandten habe ich nichts mehr neues vernommen. Ich würde sie gern einmal besuchen, aber es ist ziemlich weit nach San Francisco (etwa 160 km) und von der Arbeit weg zu bleiben rendiert auch nicht. Hier in Salinas war es in letzter Zeit ziemlich ruhig, hatten kein Tanz mehr seit6 dem Silvesterabend. Mitte Februar ist noch ein 53-jähriger Schweizer Familienvater von drei erwachsenen Kindern bei einem Autounglück ums Leben gekommen und unserer sechs von dieser Farm haben ihn auf den Friedhof tragen müssen. Es hatte sehr viele Leute bei der Beerdigung, es fährt aber alles mit den Autos zum Friedhof. Sollten aber Ernst Schoch und ich das Bürgerrecht erwerben können, werden wir es etwa mit einem Tanze feiern. Hoffentlich fragen Sie nichts am Examen, was man nicht weiss, sonst fällt man halt eben durch!

 

 

Und nun, mein Herzlieb, habe ich Dir meine Lage so gut als möglich geschildert, hoffe nicht, dass Du mich etwa missverstehen wirst und es ist gewiss alles aus treuer Liebe zu Dir geschrieben. Was Du nun zu allem denkst, kann ich nicht sagen, aber wir müssen uns halt mit den schlechten Zeiten abzufinden suchen und uns danach richten. Und jetzt alles Gott überlassen, schliesse ich mit vielen herzlichen Grüssen und Küssen Dein treuer

 

                                  Louis

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