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Brunnen, den 10. März 1932

Mein lieber Alois!

Endlich will ich mich auch wieder einmal ans Schreiben machen und versuchen Dein lb. Brieflein zu erwidern, welches ich schon vor längerer Zeit erhalten habe, und Dir hiermit mein herzl. Dank aussprechen. Ich will grad offen schreiben, dass mich die Zeilen zuerst nicht recht erfreuen mochten, da des Frühlings Herrlichkeit vergehn soll, ehe wir uns wiedersehn, worauf ich mich still gefreut und gesehnt hab. Doch ruhig und ernst überdenkt, ist dies ja lange nicht das schlimmste, sondern ich wollte gerne 2 zufrieden sein, wenn Dir nachher eine annehmbare Existenz offen stünde. Aber schlechtere Aussichten, als wie sie zurzeit sind, sind kaum denkbar. Überall werden die Arbeiter und Angestellten eher entlassen als eingestellt. Wie war es noch etwas anderes vor 5-6 Jahren als Du verreistest. Glänzend wars ja schon damals nicht, aber doch nicht so wie heute. Du hast schon recht, dass Du Dich drüben einbürgern willst, obwohl ich lieber sähe, wenns Dir hier gut ginge. Danke Dir auch für die freundlichen Worte, dass Du die Schuld selber tragen wollest, im Falle Du Dein Ziel nicht finden solltest. Damit ist mir aber durchaus nicht gleichgültig, wie es dann geht, sondern ich 3 mache mir viel und oft schwere Gedanken. Es hat jedoch keinen Zweck lange Geschichten zu machen, und Dir die Freude noch zu verderben, man kann ja doch nichts ändern, sondern muss der Sache den Lauf lassen und uns dem Willen Gottes unterstellen.

Wenn ich Dir noch ein guter Rat geben darf und Du denkst wirklich im Sommer heimzukommen, so wirst Du gut tun, wenn Du schaust, Dein ausgeliehenes Geld zu erhalten, solange Du noch dort bist, man hat schon oft gehört, dass man nachher nichts mehr zu wollen braucht.

Gegenwärtig herrscht hier sehr die Influenza und andere Krankheiten. Heute liegt die Meisterfamilie im Bett bis an eins. Zu Hause ist meines Wissens gottlob alles gesund. 4

Karl hat im Januar geheiratet und wohnt nun auch im Elternhause – Nachdem wir wochenlang das schönste Wetter hatten, sind wir heute wieder zünftig eingeschneit. Letzte Nacht hat hier das Hotel Belevue wieder gebrannt d.h. der alte Bau, während der Neubau vom Wasser schwer geschädigt ist.

Nun, lieber Alois, will ich zum Schlusse kommen mit meinen flüchtigen Zeilen. Entschuldige noch, dass ich Deinen Geburtstag einmal leider ganz verpasst, viel zu früh hab ich schon daran gedacht, dann verging Woche um Woche bis ich vor kurzem regelrecht erschrak, als mir dies Datum in den Sinn kam. Es war mir das sehr leid. Von unseren Verwandten in San Francisco sind wir immer wieder mit freundlichen Zeilen und sogar mit Geschenken bedacht worden. Sie haben auch für Dich ein schönes Lob gefunden. – Also, mein Liebster, wenn Dich etwas nun unangenehm berühren sollte, so verzeih es, ist nur aufrichtig gemeint.

Wünsche Dir recht frohe Ostern, und dass die Zeilen Dich gesund antreffen wie sie mich verlassen

Indem alles Gott befohlen grüsst und küsst Dich herzl. Dein treues

                            Käthy

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