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Flüelen, den 7. Aug. 1931

Lieber Alois!

Nachdem schon einige Zeit verflossen, seit ich Dein Brieflein erhalten, will ich versuchen, in später Abendstunde dies zu erwidern. Es wär zwar höchste Zeit zum Schlafen, aber es ist auch höchste Zeit zum Schreiben, und es ist mir leid, dass ich’s schon so lange aufgeschoben, da ich weiss, wie das Warten ist. Erstens also aufrichtigen Dank für den letzten lb. Brief, sowie auch besonders für die freundliche Nachricht betreff Anstellung, 2 welche mich sehr freute und die Stimmung etwas erheiterte. Zum zweiten folgt nun die Hauptsache, die mir zunächst in Sinn und Herzen liegt. Es liegt mir fern, lieber Alois, Dir noch einmal mit Vorwürfen zu antworten, obwohl ich auf Dein Schreiben noch nicht ganz im Klaren bin, aber ich schreibe zu wenig gern, um noch einmal auf die Sache einzugehen. Ich überlasse es nun dem lieben Herrgott, dem alles Vergangene und Zukünftige bekannt ist. Mit kurzen Worten gesteh ich Dir aufrichtig, dass ich Dir nicht böse oder übel gesinnt bin, aber leider nicht mehr die Freude und das Zutrauen hab, und eher mit 3 zurück-  haltenden Gefühlen Deine Heimkehr abwarte, die ja, so Gott will, nicht mehr gar so ferne liegt, und dann so oder anders eine Wendung bringt.  Inzwischen wird wohl das Beste sein, wie Du selber schreibst, immer zu Gott um seine führende Hand zu beten, und auf guten Wegen, das uns vorgesteckte Ziel endlich zu finden. In dieser Meinung schliesse ich nun dies Thema, um noch kurz zu schreiben, dass ich seit 1. Juli in Flüelen bin (Hotel Gotthard). Die Saison ist zwar sehr schlecht und man kann nicht viel verdienen. Die Stelle wär sonst recht, und ich befinde mich gesund und wohl, und fühle mich auch eher wieder kräftiger als im Frühling. 4

Nun muss ich wieder nach etwas anderem umschauen, denn es fängt schon wieder an zu kurzen, und daheim zu sein, rentiert mir nicht. Letzthin hab ich im „Bote etwas gelesen, das mich sehr gefreut hat, und dachte, wenn’s ihm die Buben nur auch nachmachen. Ich weiss nicht, ob’s in der Schwyzer Zeitung auch war, aber auf alle Fälle schneid ich’s Dir aus.

Hätt Dir auch gerne 2-3 Aufnahmen geschickt, aber sie sind leider noch nicht erhältlich. Nun lieber Alois, bin ich am Schlusse, und ich hoffe, dass die Zeilen Dich gesund und wohl antreffen und nicht üble Aufnahme finden. Also, behüt Dich Gott und sein Segen walte über uns. Empfange viel lb. Grüsse und Küsse von Deinem

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Die nächste Adresse machst am besten nach Hause gell. Und schreibe den Bericht der Strassenbahngesellschaft

                            Käthy

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