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Salinas (Calif), den 26. Juni 1931

Liebwerte Käthy!

Deinem Wunsche gemäss will ich diesmal schneller als gewöhnlich zur Feder greifen um auf Dein Brieflein, dass ich mit bestem Dank erhalten habe zu antworten. Gefreut haben mich diese Zeilen allerdings wenig und wenn Du schreibst, dass mir diese Schreibweise jedenfalls unerwartet vorkommen, hast Du dabei sicher recht gedacht. Ich will nun versuchen ohne viel Umschweife auf das Schreiben einzugehen.

Liebes Käthy, es scheint, dass unser inniges Verhältnis nun kurz vor seinem Zwecke noch auseinander zu gehen droht und Du mir Deinem letzten Brief zufolge sehr wenig Vertrauen mehr entgegenbringen kannst. Und dies soll nun geschehen wegen 2-3 Bildern, die ich dachte Dir schicken zu dürfen, wenn ich Dir einiges von den Personen und den Umständen bei der Aufnahme derselben mitteilen werde. Aber Du hast, wie es scheint, meinen Worten nicht glauben können und Du glaubst viel mehr, dass ich Dir gegenüber gleichgültig geworden und Du meine Liebe mit andern teilen musst und Du in diesem Falle lieber zurücktreten2 würdest. Ich soll mich Dir nun erklären, wie es sich in allem verhält? Aber wie soll ich das tun, wenn Du meinen Worten doch keinen Glauben schenken kannst. Zugegeben, dass die Bilder nicht in unser Verhältnis passen und bei den letztjährigen Bildern eins oder vielleicht mehr als eins Dein Misstrauen erweckt haben. Wenn nun diese Bilder Dir von anderer Seite oder von mir ohne Erklärung zugesandt worden wären, könnte ich Deine Aufregung begreifen, im andern Falle aber nicht recht. Bei den letztjährigen Ferien sind fast 50 Bilder gemacht worden und wenn ich nun etwa bei den einen etwas näher bei einem Mädchen gestanden als es für mich grad schicklich war, so wirst Du das begreifen, wenn man etwa an einem günstigen Platze oft 3-4 Bilder genommen und nun die Personen die Stellung etwas gewechselt haben. Was die andern Bildern betrifft kann ich Dir da nicht viel mehr schreiben. Dass ich mit Marie Immoos kaum ein Verhältnis unterhalte, wirst Du mir hoffentlich ohne weiteres glauben. Für 1½ Jahr hatten wir uns einander nie mehr gesehen, aber uns hin und wieder geschrieben wie es etwa gehe. Der letzte, etwa ein Monat nach unserem Tanze geschrieben, werde ich beilegen, vielleicht hilft er auch etwas zur Aufklärung mit. Das andere Mädchen hatte ich vorher 3 mal gesehen, einmal in Tracy und 2 mal an Tänzen in San Jose. Einmal habe ich zweimal und das andere mal gar nicht mir ihr getanzt. 3 Für den Tanz in hier war die ganze Family von unserer Köchin eingeladen worden (sie ist eine Cousine von des Mädchen Vaters), hatte meinen Bruder (der seit dem vorletzten Oktober nie mehr hier gewesen war), Marie Immoos und Louis Ender eingeladen, die dann auch alle erschienen. Wie dann alles gegangen, habe ich Dir geschrieben und hat es keinen Zweck mehr darauf zurückzukommen. Nun möchte ich noch beifügen, dass Du mich kaum an jener Stelle gefunden hättest, wenn nicht eins davon eine Cousine gewesen wäre. Zuerst bin ich auch neben Schoch Ernst gestanden und dann meinte der Sohn von der Köchin "Mr. Ehrler, wy dont't you stand better between the Girls", ich solle zwischen die zwei Mädchen hineinstehen, da habe ich es getan und wie es weiter gegangen, hast Du auf den Bildern ersehen können. Dass ich nun dabei kein trauriges Gesicht machen konnte, wirst Du auch begreifen. Es ist mir gewiss nicht recht, dass ich Dir damit Anlass zu Misstrauen gegeben habe. Ich darf Dir aber versichern, dass ich solange wir unser Verhältnis führen, nie mit einem Mädchen ein Verhältnis oder auch nur ein Wort geschrieben habe ohne eben an Marie Immoos. Vielleicht dass Du mir nun eher glaubst, nachdem ich Dir ein Brief wegen der Stelle am Tram, den Du, wie ich hoffe, erhalten und auch den Brief von Marie Immoos gelesen hast. Wegen der Stelle habe ich bis heute noch kein Bericht erhalten, es ist aber noch zu früh. Hoffe, dass ich gute Antwort erhalten werde. 4

Ich will nun zum Schlusse kommen. Wie wirst Du wohl diese Zeilen aufnehmen? Sie sind wohl etwas kühl, aber doch mit der gleichen Liebe wie alle früheren geschrieben und ich bitte Dich, liebes Käthy, meinen Worten zu glauben. Ich kann es Dir ja gut glauben, dass es für Dich ein langes hartes Warten ist, aber es rückt nun immer mehr, um uns wieder einmal mündlich aussprechen zu können und wenn es der Wille Gottes ist, unser Ziel zu erreichen. Beten wir immer etwas zu ihm, dass er alles nach seinem Willen leiten möge und in diesem Sinne schliesse ich mit vielen lb. Grüssen und Du wirst mir verzeihen, wenn ich doch einen Kuss sende (denn Deinen habe ich sehr vermisst) und ich hoffe, Du kannst alles begreifen und verzeihen dem fernen

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Ich möchte noch herzlich danken für das liebe Kärtchen zum Namenstag.

 

                                  Louis Ehrler

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