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Brunnen, den 15. Okt. 1931

Liebster Alois!

Mit herzlichem Danke erwidere ich Dein lb. Brieflein, welches ich zwar klopfenden Herzens geöffnet und gelesen habe, aber dessen Inhalt mich aufrichtig freute. Ich kann umso eher wieder an Deine Liebe glauben, nachdem Du Dich „deutlich“ ausgedrückt, was ich eben vorher vermisst. Auch danke ich Dir für die offerierte Gelegenheit, das Verhältnis zu lösen, falls ich bessere Aussichten habe. Bis jetzt hab ich solche noch nie gesucht und suche 2 noch heute nichts, besonders wenn ich Dich im Frühling erwarten darf. Dann wird sich die fernere Laufbahn schon erweisen. Einstweilen tröste und freue ich mich doch darauf, und hoffe, dass Du, mein Lieber, zurückkehrst wie Du fortgezogen bist, als braver, ehrenwerter Bursche. Oder was meinst Du darüber, und was hast Du etwa für Bericht von der Strassenbahn AG. Wenn da keine Aussicht sein sollte, wär es allerdings bedenklicher, bei der jetzigen schlechten Weltlage, drüben einen guten Posten zu verlassen. Du wirst aber vielleicht den Rank doch finden, hoffen wir nur immer z’beste. Meine Worte sind 3 halt kurz, aber umso länger die Gedanken, die in Liebe so oft bei Dir verweilen. Beiliegend erhältst Du einige Aufnahmen, teils von Flüelen, teils „vo deheimä“. Nun bin ich in Brunnen. Wo früher die Conditorei Nigg war, ist auf 1. September ein Restaurant eröffnet worden, und seither bin ich hier. Bis dato gefällt’s mir gut, und wenn’s so bleibt, ist’s recht. Das Tram fährt da hart vorbei, aber nie der rechte Führer. Hätt auch schon einige Male Gelegenheit gehabt, eventuell zu einem Stelldichein, weil aber der rechte fehlte, ging ich heim zur Mutter. Ebenso hab ich auch die Kilbi besucht. Die Tanzhäuser waren4 überall vollgepfropft. Karls Heirat ist wieder verschoben worden, da seine Braut, die im Sommer auf dem Bürgenstock war, von der Angina gepackt wurde, und immer noch nicht vollständig in Ordnung ist. Rosi Laimbacher ist seit längerer Zeit auch „g’gringet“, im Frühling wird sie’s wohl wagen (mit einem Mariä Ulrich (sogenannt Chrüzer). Nun will ich noch schreiben, dass wir jetzt wunderbares Wetter haben, das wir im Sommer sehr vermissten. Nun lieber Alois, schliesse ich diese Zeilen mit warmem Empfinden und mit dem Wunsche, sie mögen Dich so treffen, wie sie mich verlassen. In treuer Liebe grüsst und küsst Dich herzlich Dein treues

                            Käthy

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