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Salinas (Calif), den 25. Aug. 1930

Mein Liebstes!

Wie schon im letzten Brief angedeutet, habe ich nun schön Zeit, Dir einiges aus meinen Ferien zu schreiben. Diese haben am Mittwoch den 6. August angefangen und 14 Tage gedauert, dann kam dann aber über die so lustigen und gut verlaufenden Festtage die jähe Abkühlung, nämlich das herausschneiden der Mandeln. Diese haben sie mir am letzten Donnerstag morgens 9:00 Uhr herausgenommen. Sie haben mich entschläft und so habe ich nicht viel gemerkt, aber nach dem Erwachen war es mir eine Zeit lang nicht recht wohl. Am Samstag konnte ich wieder heim, es ist im Halse aber noch immer wund und ich kann auch nichts Dickes essen und muss mich noch für 3-4 Tage mit Eiersuppe und Milch begnügen. Es geht nun aber jeden Tag besser und bis etwa am Donnerstag2 hoffe ich die Arbeit wieder aufnehmen zu können. Am Freitag hat sie der Vorarbeiter auch herausnehmen lassen. Ob nun meine Rückenschmerzen und der Katarh, dem ich eine Zeit lang ziemlich unterworfen war, weg gehen, weiss ich nicht, habe aber die beste Hoffnung dafür. Wie der Arzt sagte, sind sie sehr schlecht gewesen. Nun will ich aber von dieser Sache die mich $50 gekostet hat, schliessen und von gemütlicherem anfangen zu schreiben, den Krankenrapport liest man gewöhnlich nicht so gern und Du könntest den Brief vielleicht noch zerreissen?

So will ich Dir also von meinen Ferien etwas erzählen. Ich bin zwar noch nicht so aufgelegt zum Schreiben, aber ich erwarte, dass mir die Hände nach diesem dreiwöchigen Faulenzen beim Melken für einige Tage weh tun werden und mir das Schreiben dann nicht so aus den Fingern gehen würde. Die geben zwar gegenwärtig nicht so viel Milch und es wird sich dann schon etwa machen lassen.-Unsere Reisegesellschaft bestand also beim hinaufgehen nach 3 Washington aus vier Männern (2 Brüdern, die auf diesem Platz arbeiten, einem gelungenen Urner, der etwa eine Viertelstunde von hier arbeitet und mir). Dann kam auch ein hiergeborenes Schweizermädchen mit. Auf dem Rückweg hat sich dann die Bande etwas vermehrt. Der Urner ist verheiratet, seine Frau stammte von Washington und vor etwa zwei Monaten ist sie mit dem etwa zweijährigen Buben zu den Eltern in die Ferien und nun sind diese auch wieder heimgekommen. Am ersten Tag brachten wir es bis nach Tracy zu meinem Bruder (der immer auf dem gleichen Platz arbeitet und sich bei guter Gesundheit befindet) und zu Enders, bei denen wir übernachteten. Wir haben dann noch einen Orgeler aus dem Bett geholt und eine Zeit lang getanzt. Am Donnerstag gings über Sacramento, wo wir auch einige Bekannte aufsuchten. Freitag und Samstag ging's fast ohne Aufenthalt gegen Oregon und Washington zu und am Sonntagmittag erreichten wir dann Tacoma. Dort war es für uns das erste, dass wir in ein Schwyzerrestaurant gingen 4 und Most verlangten. Hier in Kalifornien gibt's eben keinen, aber dafür genug Wein. Zur Abwechslung war Most aber wieder einmal besser. Von da ging's zu der Frau vom Urner, von wo wir dann jeweils unsere Ausflüge unternahmen. Am Montag besuchten wir in Tacoma einige Bekannte, Dienstag ging's auf den Mt Renier, von wo ich Dir eine Karte schrieb. Bis zum Hotel führte eine sehr schöne Autostrasse und von dort ist man in 1 Stunde beim ewigen Schnee und Gletscher. Wir haben einander zünftig verschneferet und eingerieben. Es war aber auch schön warm da oben und wenn wir auch durch unsere "Arbeit" und vom Schnee für eine Zeit lang ziemlich nass waren, so war man an der Sonne nach 10 Minuten wieder trocken. Nach meiner Meinung war es der schönste Tag in den Vacation. Ich war vorher noch nie auf einem Gletscher. Auf der Rückfahrt ist man an mehreren schönen Wasserfällen vorbeigekommen. Mittwoch ging's nach Ferndale zu Moser, wo ich die ersten drei Wochen in diesem Lande 5 verbrachte und von wo aus ich Dir das erste Brieflein geschrieben habe. Am Abend sind wir dort übernachtet. Wir haben auch noch für eine Zeit lang getanzt. Donnerstag früh sind wir wieder abgereist, es ist ca. 5 Stunden mit dem Auto bis nach Tacoma. Nachmittags fuhren wir etwas in der Stadt herum und vergassen dabei natürlich den Most auch nicht. Gegen Abend ging's dann zu “Mustelenrs” Anny, das Du gewiss gekannt hast. Es hat da mit dem L. Mettler eine sehr gute Partie gemacht und sie haben ein sehr beschauliches Familienleben, zu dem ihr etwa eineinhalb Jahre altes herziges und lustiges Maitli nicht wenig beiträgt. Anny war über den Besuch sehr erfreut und es hat uns ein sehr feines Nachtessen aufgetischt. Am Freitag haben wir dann wieder den Heimweg angetreten. Wir fuhren dann wieder durch eine andere Strasse, die uns durch recht schöne Gegenden und besonders schöne Wälder geführt hat. An einem Ort hatte ein Postauto angehalten und Insassen waren damit beschäftigt 6 eine Tanne zu umspannen für die es 9-10 Personen benötigt. Fast nicht zum Glauben, wenn man's nicht selber gesehen hat. Am Montag sind wir dann in Shellville angelangt, wo sehr gute Bekannte von den Brüdern Schoch wohnen. Dort haben wir dann bis in die späte Nacht getanzt und auch am Dienstag haben wir noch lange, mussten dann aber doch aufbrechen, denn am Mittwoch mussten die drei anderen die Arbeit wieder beginnen und ich am Donnerstag ins Spital! Ich hätte noch sehr gerne einen Besuch gemacht bei Deinen Verwandten Eberhardts, aber es war schon mehr als neun Uhr, als wir durch San Franzisco fuhren, aus dem Schlaf stören wollte ich sie auch nicht, und so ging es ohne Anhalten bis nach San José, wo ich dann meine Tante weckte, dort blieb und mich von den anderen, die noch etwa 2 Stunden zu fahren hatten, trennte. Über den Mittwoch bin ich in San Jose geblieben, am Abend bin ich dann mit dem Postauto nach Gilroy (ziemlich genau in der Mitte zwischen Salinas und San Jose) gefahren, 7 wo mich dann am Donnerstag ein deutscher Arzt auf den Schragen nahm.

Damit bin ich mit meiner Ferienbeschreibung zu Ende gekommen. Es waren dies gewiss für alle recht gemütliche Tage. Wir hatten aber auch Glück mit unseren zwei Autos. Sie haben nie versagt, einmal mussten wir einen "Tyre" (Gummischlauch) an einem Rad flicken und einmal hat der Urner die Härte seines Grindes an der Frontscheibe vorne probiert. Die Scheibe hat dann dem Urnerschädel richtig auch schön nachgegeben! Aber wenn man bedenkt, dass wir ca. 4700 km (eine für Schweizer Begriffe fast nicht fassbare Strecke von hier nach New York ist es ungefähr so weit, ein Weg) gefahren sind, so können wir von einer ausgezeichneten Reise sprechen. Auch die Ausgaben sind ziemlich unter dem Voranschlag geblieben.

Und nun mein Liebstes ist es genug. Der Brief sieht zwar nicht wie ein Liebesbrief aus, ist aber wegen dem doch mit treuer Liebe geschrieben. Habe auch noch herzlichen Dank für Deine lb. Karte von Seelisberg und sei innig gegrüsst und geküsst von Deinem treuen

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Werde dir später auch einige Fotos von der Reise schicken.

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                                  Louis

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