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Schwyz, den 10. Sept. 1930

Mein Liebster!

Herzlichen Dank für den heutigen Brief und ebenso für die beiden Kartengrüsse von Deiner schönen Ferienfahrt. Ich glaube, dass dies eine schöne, unvergessliche Zeit gewesen ist, die Dir für Abwechslung und Abspannung Deiner Kräfte auch von Herzen zu gönnen ist. Hingegen bedauere ich Deine Operation und wie Du schreibst von Rückenschmerzen, und ich hoffe, dass dies alles den besten Verlauf nehme und nichts Schlimmes nach sich ziehe. Aber mein Lieber, was mag es wohl sein, dass der Brief so lange und ungeduldig auf sich warten liess? Ich vermute fast, es könnte einer inzwischen verloren gegangen sein. Nach meiner Rechnung hätt einer anfangs August hier sein können und von da an erwartete ihn jeden Tag, aber leider umsonst. Ende August endlich erhielt ich den ersten Kartengruss, der mich aber mehr in Verlegenheit setzte, da keine Silbe verriet, ob ein Brief folge oder schon abgeschickt worden sei. Momentan konnte ich aus der Verlegenheit fast2 nicht rauskommen, aber nahm dann doch an, Du seiest jetzt in der Sommerfrische und wartest mit Schreiben, bis Du mir von dieser etwas zu erzählen weisst. Am 2. September löste ich die Heimfahrt, ohne den ersehnten Brief zu besitzen. Bald darauf folgte Deine zweite Karte und heute also der Brief. Aber mein Lieber, es ist ja alles schön und recht, was er enthält, aber abgesehen von dem, dass er so lange ausgeblieben, hätt ich trotzdem noch irgend eine Erwiderung auf meinen letzten Brief drin erwartet. Zudem scheint mir an den ersten Zeilen was Auffälliges zu sein, so dass man wie gesagt, vermuten möchte, es sei ein Schreiben verloren gegangen. Oder sollte denn wirklich ein Stück Gleichgültigkeit dahinter sitzen? Deswegen will ich Dir weiter keine Vorwürfe machen, es ist dies ganz Deine Sach, wieviel Dir noch dranliegt, aber wem sollte es nicht verleiden können, in die Länge einen solch ziemlich armseligen Liebesverkehr zu unterhalten? Da kann schliesslich die Geduld auch verschwinden. Ich weiss zwar, dass Du auch schon hast warten und Geduld haben müssen, vielleich zum Verleiden…

 

 

 

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Fortsetzung fehlt

                            Käthy

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