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Schwyz, den 4. Juni 1930

                                         In die Ferne, mein Geliebter, send ich Dir einen lieben Gruss

                                         Möchte lieber mündlich sagen, was leider ich nun schreiben muss

                                         Zum Namenstag möcht ich Dir gratulieren, Freud und Wohlergehen mög Dich beglücken

                                         Lass küssend an mein Herz Dich ziehen, und treulich uns die Hände drücken.

 

Gesundheit schmücke Deine Tage,

Zufriedenheit vergelte sie

Dein Leben fliesse ohne Klage

Dahin in schönster Harmonie.

 

Empfange, mein Liebster, auch endlich meinen aufrichtigsten Dank für den letzten lb. Brief mit dem schönen Wort- und Bilderinhalt. Es hat mich alles sehr, sehr gefreut. Die Angst, Dich mit dem letzten Brief beleidigt zu haben, war längst verschwunden. Am ehesten fürchtete ich, Du könnest vielleicht das Regieren im Geldsäckel nicht recht leiden. Es war aber scheint’s auch nicht so schlimm, und es freut mich von Herzen, an Dir solche Gesinnung zu finden. Die Belohnung wird gewiss einmal nicht ausbleiben. 2

Dann aber, was das andere anbelangte, betreff Gelegenheit mit anderen scheute ich nicht so sehr. Ich meinte, es sei ja alles offenherzig und in guter Absicht geschrieben, und so schnell der Kopf aufwerfen werdest Du nicht. Ich wolle es also dem lieben Gott überlassen, es werde doch alles kommen wie es muss.

Allerdings geht es allmählich etwas schwer, solches zu schreiben, vielleicht zäher als zu lesen und will fast lieber, ich komme nicht mehr in den Fall, aber ich möchte auch nicht, dass ich es unterlassen und dass ich vor Dir solche Heimlichkeiten hätt. Als ich Dein Beispiel gelesen, welches mich übrigens etwas überrascht, sah ich es erst recht ein. An den Pfyl kann ich mich nicht mehr recht erinnern, umso besser aber meine Brüder. Als ich ihnen schöne Geschichtlein erzählte, meinten sie, es hätten eher die Ulrichs Briefwechsel mit Pfyl, da diese schon verschiedene Mal von ihnen „brichtet“ hätten. Sei es, wie es wolle, ich mach mir nicht viel draus, wenn nur Pfyl nicht etwa unser Verhältnis merkt, und es einem von beiden dem M.U. oder R.L. schreibt, sonst wär der letztere jedenfalls der Rechte, um es weit und breit an die grosse Glocke zu hängen. Sie war Schuld, dass Thedori nicht den eigentlichen Grund vernommen, warum ich mich mit ihm nicht in ein weiteres Verhältnis lasse, obwohl er ja3 gut genug wär. Davon gespickt hat er mir zwar auch schon jedesmal, als ich ihm im Ernst sagte, ich wolle noch ledig bleiben und keine Bekanntschaft einfädeln. Da gab er zurück: „So, so, ja dann wird’s doch stimmen, wie er vernommen, dass ich auf ihn warte, der nicht gerade nahe sei. Ich nahm dies ganz kaltblütig entgegen, fragte nicht, was er meine und wer’s ihm sagen konnte, lachte ihn nur ein wenig aus mit den Worten: „Was auch die Leute immer Neues wissen!“ Seither sagte er kein Wort mehr von dem. Wie er es vernommen, weiss ich heute noch nicht und frage natürlich auch nicht, um es nicht selber aufzudecken. In nächster Zeit wird dies alles schön unterbleiben. Ich bin nun keinen Tag sicher, wann ich in Seelisberg eintreten muss, und dann kann man sich um solches wenig mehr bekümmern. Gegenwärtig bin ich im Elternhaus und hätt zu sonnen, putzen, nähen und flicken, dass mir und der Mutter fast lieber ist, wenn ich noch nicht gleich gehen muss. Im Rätigs ist jetzt eine andere bleibende Köchin angestanden. Das Hochsigleben ist vorbei, und der junge Ehestand mit bester Hoffnung und Zuversicht angetreten. Dass die Trauung verschoben wurde, wirst ja schon wissen, weil Marie auch einige Zeit an den Fussgelenken 4  litt. Sie schlossen ihren Bund am 19. Mai, also genau drei Monate nach der Verlobung. Pauli und ich sind “Näbethochziiter gsih, hättid afig gseh wie’s gahd”. Im Übrigen kann ich Dir nicht viel von grosser Festlichkeit erzählen. Weil Josef finanziell in bedauerlicher Lage ist, gab’s ja weniger Geschwätz, wenn’s nicht so geschwollen herging und zu dem wollten sie es länger gut haben als alles am gleichen Tag. Am Mittwoch waren sie wieder daheim. Ein Hochsigtanz konnte nicht stattfinden, weil zu wenig Platz gewesen wär. Zehn Tage war ich noch droben und sah mit Freuden auf das junge Ehepaar, das ganz glücklich und wohlauf ist. Mög sie Gott behüten und ihren Bund mit treuer Liebe und Eintracht für allzeit segnen. Die beiden lassen Dich auch freundlich grüssen.

Unsere Familienverhältnisse haben sich nun etwas geändert. Franz und Paul haben die Liegenschaft (Rätigs) käuflich übernommen und haushalten auf eigene Rechnung. Ich weiss auch, was mir zugefallen, und Karl wird einmal das Haus übernehmen. Und nun, mein lieber Alois, wenn ich diese Angelegenheit nicht verschweigen will, muss ich schreiben, dass sie manch verstohlene, bittere Träne forderte. Ich kann mich da aber nicht so recht ausdrücken. Bereits 10 Jahre haben wir 5  zusammen gelebt und geschafft, suchten in allem etwa vorwärts zu kommen, hab gesehen, wie das Haus für und für überall ausgebessert, wohnlich und heimelig gemacht wurde, wie ich es einmal auch wünschte. Und nun kommt die Trennung, die Buben machen sich selbständig, mir scheint es nicht grossen Anteil mehr zu treffen, und kann ich nun sehen und gewärtigen, wie, wann und wo mein Glück sich finden lässt. Du glaubst nicht, mein Liebster, wie gern und wie wohl es mir getan hätt, wenn ich nur einmal an Deiner Seite hätt ruhen und mein Leid hätt teilen und ein liebes Wort hätt hören können. Aber immer heisst es, verzichte und hoffe. Ich sag es aufrichtig, nie drohte mir unser Verhältnis so zu verleiden wie in solchen Momenten. Aber alles geht ja schliesslich vorbei, und jetzt geht es auch wieder besser. Gemerkt, glaube ich, hat niemand viel von meinem Wehgefühl, versuchte es so gut als möglich zu verbergen. Und nun ist bis dahin Gott sei Dank alles im Frieden und im Gleichgewicht geblieben und es weiss jedes etwa, was es hat und kann für sich schaffen und sorgen.

Lieber Alois, es freut mich so sehr, in Deinem Briefe zu lesen, man sollte sich’s nicht schwer machen und auf Gott vertrauen und alles seinem heiligen Willen überlassen. Ich bin gewiss auch dieser Überzeugung. Aber wenn einmal des Lebens Ernst ein Menschenherz ergreift, wie schön ist es dann, wenn eins das andere etwas 6 aufmuntern und erheitern kann.

Nun wieder einmal etwas anderes. Meine Cousine Anny Eberle hat sich scheint’s auch unter die Farmer gelassen. Wer hätte das gedacht? Vetter Meiri hat auch geschrieben, wenn ihm einer früher so etwas gesagt hätte, hätte er ihn ausgelacht. Wie ich kürzlich einen Brief von ihm wiederholt gelesen, begegnete ich einem lb. Gruss von Dir. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihn das letzte Mal erwidert hab, und möchte ihn an dieser Stelle bestens verdankt haben. Lasse sie auch wieder freundlich grüssen, falls Du mit ihnen gelegentlich zusammentriffst – oder etwa die beiden Töchter auf der Farm besuchen würdest. Ich kenne jedoch ihre Adresse nicht, sie seien auf der gleichen Farm, aber nicht im gleichen Hause.

Schnyder Schuler ist auch armselig aus der Welt geschieden. Da kann man wohl sagen, der war ein armer Teufel, wenn man seine Laufbahn ungefähr kennt. Ebenso war in der Schwyzer Zeitung vor längerer Zeit auch zu lesen, dass ein Muotathaler auf dem Heimwege ermordet und des Geldes (20‘000) beraubt wurde. Vor etwa anderthalb bis zwei (Wochen, Monaten?) brachte die Zeitung ein diesbezügliches Bulletin. Es wird einem fast Angst um Dich, mein Schatz. Musst schon aufpassen. Nun will ich Feierabend machen und es wieder für einmal gelten lassen, es ist Zeit, dass der Brief bald fortkommt. Nimm’s mir nicht übel, wenn etwas z’viel oder z’wenig geschrieben ist, gell mein Liebster, und hab nochmal besten Dank für die lb. Bilder und Zeilen.

Nun, Gottes und Marias Hand führt uns durchs Erdenland. Sei, lieber Alois, in treuer und christlicher Liebe vielmal herzlich gegrüsst und geküsst von Deinem treuen

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Die nächste Adresse bitte: Seelisberg Kt. Uri

Die Karte vom 12. März habe auch mit Freude und bestem Dank erhalten

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                            Käthy

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