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Salinas (Calif), den 14. Febr. 1929

Mein Teuerstes!

Da mit heute wieder so ein Lebensjährchen zu Ende geht und ich morgen in das 27te trete, so will ich die alten noch mit einem Brieflein an mein Liebstes abschliessen. Die Zeit vergeht schnell. Es dunkt einem, man sei weh erst auf den Schulbänken herumgerutscht und nun haben schon mehrere meiner Schulkameraden den Bund fürs Leben geschlossen und etwa 6 oder 7 haben die Reise über das grosse Wasser gewagt um sich das Brot in einem fremden Lande zu verdienen. Die gemütlichen Jugendjahre sind nun so ziemlich vorbei und an dessen Stelle tritt jetzt für die meisten der Ernst des Lebens. Als letzte Arbeit also noch einige Zeilen für Dich, mein Herzlieb.

Mit Freuden und herzinnigem Dank habe ich Deine zwei Briefe erhalten. Der erste als ich 2 von den so glücklichen verlaufenden Ferien, von denen ich noch schreiben will, heim gekommen bin. Deine so sinnigen Sprüche haben mich herzlich gefreut und man sollte nicht meinen, dass diese zuoberst unter den Mythen erdacht worden sind. Dein zweites umfangreiches Briefchen ist am Güdelmontag eingetroffen. Wie ich der Zeitung ersehe, hast Du die Fastnachttage nicht in gewohnt gemütlicher Stimmung verleben können, denn wie ich vermute, ist Deine lb. Grossmutter nun ins bessere Jenseits abberufen worden und hat Dir dieses also einen argen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich möchte Dir noch einmal von Herzen Dank sagen für Deine so herzlichen Neujahrsgrüsse und ich möchte auch Deinen lb. Eltern herzlich danken für Ihre Grüsse und Wünsche.

Dein Brieflein selbst hat mich allerdings, es ist mir fast gegangen wie Dir, nicht in die leichte und frohe Stimmung zu setzen vermocht, wie es alle vorher erhaltenen es zu tun in der Lage gewesen sind. 3

Nicht dass sich auch nur ein einziges Wort in dem so schönen und mit so viel Liebe geschriebenen Brief hatte ungern haben können, im Gegenteil hat Deine Schreibweise Deine ganze Liebe, die Du mir entgegenbringst, gezeigt und sie hat auch wieder von neuem bewiesen, dass meine Augen nicht schlecht geschaut haben, als sie in Dir ein selten ehrenwertes und charaktervolles Mädchen gesehen haben, auch damals schon, als ich noch nicht im geringsten ahnen konnte, dass es zwischen uns jemals zu einer Schreibweise kommen würde, die wir gegenwärtig pflegen. Aber wir haben uns, wie es scheint durch unseren zweijährigen Briefwechsel so weit kennengelernt, dass wir uns in letzter Zeit in eine Schreibweise ergehen lassen durften, die etwas tiefer gegriffen hat und über die man nicht mehr mit so leichtem Herzen hinweggehen kann. Also, noch einmal herzlichen Dank für Deinen so schönen, allerdings, ich kann es zwar gut begreifen, etwas ernsten Brief.

Ich will nun versuchen, Deine Fragen, die mir nun seit zehn Tagen überall gefolgt sind und die meine Gedanken die grösste Zeit in Anspruch nahmen, so gut als möglich zu beantworten, 4 um Dich ganz in mein Herz schauen zu lassen. Es ist das zwar ein etwas ernstes Stück Arbeit von der viel abhängen kann, aber wir wollen hoffen, dass der Allmächtige mir die Gnade gibt, dass ich meine jetztigen Gedanken verwirklichen kann und dass er alles in die besten Wege leiten möge, damit es nie dazu komme, dass ich meine Schreibweise wegen irgend einem Grunde bereuen muss. Ich hoffe gern, dass Du mein Empfinden verstehen wirst und über diesen Brief besser hinwegkommst, als es beim letzten der Fall gewesen ist.

Meine Liebste! Es hat Dir also im letzten Brief einen tiefen Schnitt ins Herz gegeben, als ich geschrieben, dass ich jedenfalls der grösste Theil meines Lebens in diesem Lande verbringen würde, wenn Du mein Liebstes nicht wärst. Nun von diesen Worten kann ich auch heute keine Silbe zurücknehmen, denn es ist eben leichter in diesem Land durchs Leben zu kommen. Du darfst nun aber nicht glauben, dass es mir so gut gefällt, dass ich in der Schweiz nicht mehr leben kann und ich mich nicht mehr heimisch fühlen könnte. Wenigstens stelle ich es mir so vor, dass mir, wenn ich in 2-3 Jahren heimkomme, wie es meine feste Absicht ist, wieder gefallen wird und ich die lb. schöne Heimat einem fremden Lande vorziehen kann. Bestimmtes kann man ja nichts sagen, es wird sich alles zeigen. Es wird das auch viel davon abhängen, wie es mir dann gehen wird und somit komme ich zu einer anderen Frage. Wie ich am liebsten einrichten würde? 5

Es ist das allerdings noch sehr unbestimmt und kann man da vorläufig nur Luftschlösser bauen. Aber es ist doch gut, wenn man darüber schreibt. Wie ich Dir im letzten Brief geschrieben, ist es nicht gut möglich, sich mit dem Gelde von dem ich geschrieben, selbstständig zu machen, wenigstens so lange nicht, als sich die Landwirtschaft in so gedrückter Lage befindet und es wäre also besser, sich dann um eine geeignete Stelle umzuschauen. Was ich nun am liebsten annehmen würde, wäre die Stelle als Workman auf einem Bauernhof. Aber solche sind eben sehr selten und schwer zu bekommen. Dann wäre mir auch eine Stelle genehm wie sie mein Vater hat als Magaziner oder so was. Die Tramführer haben nicht so grossen Lohn, aber wenn man vielleicht einen kleinen Laden daneben betreiben könnte, würde man das Leben auch machen können. Es hat ja noch viele Stellen z. B. Lagerhausarbeiter 6 oder sonst was. Das kann ich Dir eben jetzt schon sagen, dass es mir sauer ankommen würde, wieder eine Stelle als Knecht für 80-90 Fr. anzunehmen. Nicht dass ich nicht gern landwirtschaftliche Arbeiten verrichten, aber ohne sich selbstständig zu machen, verdient man wie Du ja auch weisst, zu wenig auf solchen Plätzen. Es würde mich übrigens auch freuen Deine Zustimmung über diese Frage zu hören.

Betreff des Geldes liegt es mir fern, dieses zur Hauptsache für unsere Liebe zu machen. Ich weiss auch, dass in mancher Familie mit bescheidenen Mitteln viel grösseres Glück und tiefere Freude liegt als in manchem Palast. Aber ich weiss auch, dass man nur mit dem Charakter noch nicht gegessen hat, auch wenn er noch ein guter ist. Ich denke aber es würde in dieser Hinsicht schon gehen. Was Dein Geld anbelangt, wäre ich mit dem gebotenen mehr als zufrieden und ist mir Dein Wesen viel viel mehr wert als ein Haufen Geld. Diesen Punkt dürfen wir also ruhig liegen lassen.

Und nun mein lb. Käthy habe ich noch eine andere wichtige Frage. Ich darf Dir allerdings vorerst schon 7 sagen und ich darf das bei meinem Gewissen versprechen, dass es meine feste und ehrliche Absicht ist in die Heimat zu kommen und dort zu bleiben, aber was dann, wenn es mir wider Erwarten nicht mehr gefallen würde, oder sich keine passende Stelle finden sollte. Könntest Du Dich dann ganz unmöglich entschliessen in dieses Land zu gehen? Es wird Dir vielleicht schwer fallen auf diese Frage Antwort zu geben, aber es ist doch auch gut, darüber zu schreiben. Es ist, Du weisst es ja auch, schon öfters vorgekommen, dass es einem nie recht gefallen hat in diesem Lande und immer Heimweh gehabt hat und dann wieder in die lb. Heimat gefahren ist, aber oh weh, wenn der draussen ankam oder eine Zeit lang draussen war, ist es ihm wieder verleidet und hat sich wieder nach Amerika zurück gewünscht. Ich hoffe nun nicht, dass es mir so geht, aber wer kann es wissen? Weder Du noch ich. Also bitte, auch einige Zeilen über diesen Punkt. Es geht ja oft manches. Ich weiss z. B. nicht, ist es Dir und überhaupt in Schwyz bekannt, dass die einzige noch in der Schweiz lebende Schwester von der Mutter sel., es ist die Frau von Maurus Reichmuth neben Schmid Rueggs, der sich seit einiger Zeit in Geldschwierigkeiten befindet, nach Amerika kommen will mit Mann und sieben noch fast alle schulpflichtigen Kindern. 8

Sie werden jedenfalls ihr Heim verlieren und sie bemühen sich gegenwärtig die Einreisebewilligung nach Amerika zu erhalten. Die Verwandten in hier helfen dazu soviel sie können. Die Familie Reichmuth hätte sich das vor wenigen Jahren jedenfalls noch kaum träumen lassen. Ich möchte Dich aber bitten niemanden von dieser Sache zu sagen, es sollte noch Geheimnis bleiben, weiss zwar nicht, ob es in Schwyz schon allgemein bekannt ist. Aber ich schreibe es Dir nur damit Du auch sehen kannst, wie es im Leben oft gehen kann. Ich will damit über all diese Sachen schliessen, denn ich habe nun über Deine Frage geschrieben so gut es mir möglich war und ich hoffe, dass Du mich in allem verstehen wirst und Du es mir verzeihen wirst, wenn ich etwas geschrieben haben sollte, was Dich unangenehm berühren sollte. Aber es ist alles in bester Absicht und gewiss auch mit treuer christlicher Liebe, zu Dir mein liebstes Käthy, geschrieben und meinem Herzen entnommen und ich hoffe, dass es Dein Herz wieder erleichtern möge und dass Du besser über diese Zeilen hinwegkommen wirst als die letzten.

Nun will ich Dir etwas von meinen Ferien, die ganz vorzüglich, ich wünschte fast sagen nach Wunsch, verlaufen sind, erzählen. Ich habe da Gelegenheit gehabt alle Verwandten zu besuchen. Leider ist Josef nicht auf die erwartete Zeit eingetroffen, er bekam nämlich auf dem 9 Meere von einem schlechten Zahn einen stark geschwollenen Backen und so musste er ca. fünf Tage in New York bleiben und Umschläge machen. Er ist glaube am 4. Januar in Tracy eingetroffen. Bei seiner Ankunft war ich allerdings nicht dort, sondern war am Mittwoch nach Sacramento und Elmira gefahren, wo sich auch eine Schwester von der Mutter befindet. Die Familie Eichhorn habe ich auch aufgesucht, er muss nun, da sein Meister alles verkauft hat, seine bisherige Stelle aufgeben. Denke aber, er wird es Deinem Vater geschrieben haben. Als ich dann am Freitag nach Tracy zurückkam, war Josef dann eingetroffen. Er ist so ziemlich der gleiche geblieben. Ich hatte dann leider nur mehr einen Tag Zeit bei ihm zu sein, denn am Samstag musste ich nach San Franzisco um am Sonntag die Andacht zu machen. Da ich diese Stadt noch nicht gut kenne (es war nun das zweite Mal, dass ich dort war) habe ich ein Taxi genommen und bin sofort zu Familie Eberhardt gefahren. Er selber war, wie Du ja weisst in Seattle, ist dann aber am Sonntagmorgen heimgekommen. Sie waren dann so freundlich mich einzuladen bei ihnen zu bleiben bis ich dann Franzisco wieder verlassen musste. Ich muss sagen, sie haben mich sehr fein aufgenommen und wenn 10 ich Ihnen so gefallen habe, wie sie mir, dürften sie nicht schlecht über mich geschrieben haben. Sie waren noch immer ganz begeistert von der Schweizer Reise und sie haben viel von der Heimat zu erzählen gewusst. Lachen musste ich hier und da ob dem Anny, wie es da seine Eindrücke wiedergegeben hat, besonders als es von der Dorfbächlerkilbi erzählt hat. Wie es da viel zu viel Volk gehabt habe und wie sie bödelet und cheibet haben und wie ihm da so ein Unart auf die Füsse trampelt sei. Es war immer noch nicht recht erbaut darüber! Am Sonntagnachmittag waren wir im Museum und Golden Gate Park, der über 1000 Juch. und der Lieblingsort für die Bevölkerung von Fresco in der freien Zeit ist. Die Grüsse habe ich selbstverständlich ausgerichtet und sie haben auch wieder solche an Dich aufgegeben. Du wirst nun aber inzwischen auch Bericht erhalten haben von ihnen. Am Montag habe ich San Franzisco wieder verlassen und bin dann noch einen Abend in San Jose gewesen. Es wohnen dort zwei Schwestern von der Mutter sel. Dienstag den 8. Januar habe ich dann die Arbeit nach zwölftägigem Faulenzen wieder aufgenommen. Recht schön und gemütlich ist es auch immer in Tracy, man ist dort eben wieder daheim. Josef ist bei Enders geblieben und 11 er scheint sehr wenig lange Zeit zu haben. Er hat mir bis heute noch nie geschrieben, trotzdem ich ihm vor etwa vier Tagen einige Zeilen geschrieben habe, um auch zu vernehmen, was er macht. Weiss also gar nicht, was er macht und wie es ihm gefällt in der neuen Welt, allem an nicht so übel, sonst würde er schon schreiben. Am Silvesterabend sind ein Sohn von Enders, Immoos, der mit Josef die Reise gemacht hat und ich nach Auckland zu einem Schweizertanz gefahren. Ich habe dort für den grössten “g’Lust” wieder einmal genug bekommen. Koller Musik, ein feiner Braten und viele gute Tänzerinnen, was will man denn noch mehr. Natürlich fehlt das Bier und der Wein bei solchen Anlässen auch nicht. Beim Tanz habe ich Koller Marie, das Dir ja vom Schäfli bekannt ist, getroffen und viel mit ihm getanzt. Es gefällt ihm gut in diesem Lande, es hat aber doch auch den Gedanken in paar Jahren wieder heim zu gehen. Auf ein Inserat in der Zeitung habe es fast 50 Briefe erhalten. Ein Zeichen, dass es nicht schlecht ist für Mädchen in diesem Lande. Der Lohn ist so zwischen 50- 80 Dollar im Monat. Es war also alles in allem eine recht gemütliche Zeit und mit frohem Herzen und vielen angenehmen Erinnerungen habe ich dann die Arbeit wieder begonnen. Es ist hier immer so alles beim alten. 12 Ich möchte Dir dann auch noch herzlich danken für die frdl. Grüsse, die Josef von Dir hinüber gebracht hat. Er hat von unserem Verhältnis scheints nichts gewusst, bis Du ihm beim Tanzen mehrmals von mir angefangen hast und er nachher Marie gefragt habe, was da sei. Es konnte ihm dann schon Auskunft geben. Unser Verhältnis scheint also sehr wenig bekannt zu sein daheim. Dem Franz Föhn kannst ja einmal etwas antönen von unserem Briefwechsel, er wird dann im nächsten Brief wohl etwa ein „Schnagen“ wissen, ich bedauere nur, dass Du am Schützentanz nicht teilnehmen konntest. Es sei so lustig und friedlich zugegangen. Ich habe vorgestern einen Brief von Auf Jberg erhalten.

Und nun mein Liebchen, dürfte es wieder genug sein für einmal, sonst könnte Dir das Lesen noch verleiden. Es gebe ja noch viel so Kleinigkeiten zu schreiben, hoffe aber Du wirst mit dem für einmal zufrieden sein. Ich habe nun meine Gedanken und Empfindungen auf Deine Fragen niedergeschrieben so gut ich in der Lage war und ich hoffe sie mögen Dein Herz wieder erleichtern. Wir wollen nun den Herrgott und die Gottesmutter bitten, dass sie alles zu einem guten Ende leiten mögen und dass wir in 2-3 Jahren ein frohes Wiedersehen feiern können. Nimm ja nichts zu schwer auf, es kommt alles wie es muss und somit schliesse ich mit 1000 herzlichen Grüsse und Küsse und verbleibe in christlicher Liebe Dein treuer

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Es ist selbstverständlich, dass eine solche Schreibweise nur unter uns sein soll und dass Du niemanden, ausgenommen Deine Eltern, von diesen Briefen sagst

 

                                  Louis

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