top of page

Schwyz Obdorf, den 25. Nov. 1928

Mein Herzlieb!

Für das lb. Brieflein, das mich am Morgen des Martinimarktes so freudig überraschte, übermittle ich Dir meinen herzlichsten Dank. Warme Freude empfand ich, als ich erfuhr, dass die treue Liebe Deinerseits ebenso herzlich erwidert sei und die Sache gut in Ordnung geblieben ist. Herzlichen Dank für diese Antwort, und möge, ja möge diese treue Liebe in unseren Herzen immer so bleiben, bis wir, so Gott will, ein Wiedersehen erleben.

Ja ja ein Wiedersehen! Wie oft schon in einsamen Stunden sind meine Gedanken da hängen geblieben. Ob wohl die Hand Gottes Dich als braver Mensch wieder einmal in unsere Heimat zurückführe und wir uns dann eines öfteren Wiedersehens freuen können, oder ob’s bloss ein leeres Hoffen sein soll, und Du eher für fremde Erde, wohin Dich nun einmal ein höherer Wille getrieben, gewachsen seiest? Deine Briefe zwar geben mir jeweils Hoffnung zu einem solchen Wiedersehen, aber ob Du eigentlich die Absicht hast, früher oder später wieder heimzukehren, und ob die Vorsehung dies gelingen lässt, das liess sich nie erforschen. Der Herrgott möge über uns walten, wie’s für uns etwa am besten ist. “An Gottes und Marias Hand, wandern wir durchs Erdenland.“2

Lachend habe ich auch Deine trockenen Meinungen gelesen, und es schien mir so lebendig, als sei es wieder Klaustag, und wir stehen uns freudig Aug in Aug schauend einander vergnügt gegenüber. Dem Marie habe ich auch zur Kenntnis gebracht, was Du wegen ihr geschrieben hast, und dann meinte sie, das sei wohl eine Meinung von Dir und jetzt wolle sie den Brief doch baldigst fertig machen, angefangen habe sie schon lange, sei aber dann wieder gestört worden. Und wie ich auch vernommen, bist Du so freigiebig gegen Dein „Schwesterchen“, und hast ihr Papier angetragen, welches es aber nicht benötige, weil zu wenig „Korrespondenz“, was Du ja gern glauben wirst. Hoffe, dass selben Brief jetzt in Deinem Besitze sei und durch viele gute Botschaften Dich möge recht erfreut haben.

Und für das schöne Bildchen danke ich Dir noch besonders, schaue es immer wieder gerne an, da Du so vergnügt drein guckst. Ganz anders geschwollen als wir, gebt ihrs da im Dollarland drin. Glaube schon, ihr mögt lachen dabei, so “mögst no mänge verlidä“. Mag euch aber und besonders Dir, Liebster, dies Wohlsein von Herzen gönnen. Hoffe auch, dass Dein Husten und „Pfnüsel“ schön gebessert habe. Schade, kann ich es nicht besorgen, sonst sei hie und da ein „ärfig Brustthee“ gut gegen Erkältungen. Ohne Spass jedoch bitte ich Dich, hab schön Sorg zu Dir, dass sich nicht schlimmere Krankheiten einstellen. Übrigens würde ich Dir gerne auch wieder einmal 3 eine Photografie zustellen, nachdem Du mir mehrere solche geschenkt hast. Schon lange habe ich gemüdet, eine Familienaufnahme machen zu lassen, aber die Mutter sperrt immer und sagt, sie pfeife drauf, sie habe genug an den alten und gehübschet hätten wir nicht.

Gegenwärtig pfuset und winterlet es tüchtig und ich finde es so heimelig im warmen Stübli. Heimeliger aber wärs glaub noch, die Sache mündlich statt schriftlich auszurichten und den Namenstag selbander zum Abschluss bringen. Will aber so zufrieden sein, wenn sich die Glückwünsche alle erfüllen, muss es ja gut gehen.

Deinem Bruder Josef, der nun auch bald von allen Lieben scheiden wird, und wie Du in weiter Welt draussen sein Glück zu erringen sucht, wünsche ich auch eine recht gute Reise und Euch beiden dann ein freudig frohes Wiedersehen, ein allseits glücklich Wohlergehen, und dass ihr mit guten Beispielen immer etwa brüderlich zusammen steht. Zu Martini haben wir uns im fröhlichen Kreise gedreht und ob ich ihn jetzt nachher nochmals seh, ist eine Frage, da ich wenig unter den Leuten bin, ausser an den Tanztagen im Schäfli und sonntags in der Kirche. Mit der heutigen Schönenbüechlerkilbi geht die Tanzsaison für dies Jahr zu End. Die Tanztage sind wie etwa brauchlich gut abgelaufen. Ausser den dreien im Schäfli war ich noch am Ausschiesset in Aufiberg. Es waret dort auch schön und gemütlich und mein Heimbegleiter war dann Dein Cousin Franz (d.L.). Damals war ich froh über einen 4 Begleiter, sonst aber, seit die Bekanntschaft mit K. B. abgeschnitten, fand ich den Weg immer entweder allein oder mehrmals mit Mädchen, die des gleichen Wegs gingen, bis dann am Martinimarkt, wo Franz wieder parat war. Gegeben häts allerdings manchmal Begleiter, wenn man hät wollen ein bisschen “gmerkig“ sein, aber lieber suchte ich auszuweichen, ohne Direktkörbe anzuhängen, dann brauchte ich niemandem dankbar zu sein und konnte mich gleich hinlegen, sobald man daheim war, d.h. im Elternhaus im Dorfbach. Damit waren auch die „Gschleipf“, die solchen Begleitschaften eben gerne angeknüpft werden, vermieden. Gleichwohl bieten sich auch immer wieder Gelegenheiten zu Lieb- u. Bekanntschaften und ich sags Dir frank und frei unter die Augen, dass manch lieber Blick und süsses Wort mir widerfahren ist, während mein Herz Dein Name mit Liebe in sich trug. Nicht, dass ich solche Liebeswürdigkeit schier nicht überwinden könnte, aber zu Herzen gehen konnten sie einem mitunter doch auch, wenn man sie als solche vom fernen Liebsten erachtete. Es wär schliesslich solches noch mehr zu verzapfen, doch spüre ich schon Schlaf und um schneller fertig zu werden, will ich lieber schreiben, dass ich mich meiner Verhältnisse freue und als noch “sauber lediges Maitli“ glücklich schätze. Mein erster Wunsch wäre jetzt eine gute Winterstelle, ich hab mich hierzu auf einem Hotelbüro angemeldet, wo ich am ehesten Erfolg erwarte. Allerdings weiss ich, dass es für den Winter schwieriger ist solche Stellen zu erhalten,5 wenn man keine Sprachen kann und genug Personal zu finden ist. Aber es ist ja alles ums probieren zu tun. Sag Liebster, gehst auch wieder in die englische Schule, ich erkenne immer mehr dessen Werth. Bei Dir sollte ich Stunden nehmen, da wollt ich schon Fleiss haben. Fast hät ich meine Amerikaner Vetterleut um ihre deutsch-englische Sprache beneidet. Während der Vetter noch ganz geläufig Deutsch sprach, mussten die Tante und Cousine mitunter ein Wort etwas länger suchen, war aber dennoch interessant sie zu hören. Falls Du sie besuchen gehst, vergesse nicht den freundlichen Gruss an Anny und Fred Eberle-Eberhard. Möglicherweise könntest Du sie auch bei der Musik treffen, da nach ihrem Sagen, jeden Samstag Tanz sei, und sie da aufspielen. Bin jedoch hierüber nicht so ganz im Klaren. Sonst ist Vetter Meinrad Schreiner, während Eberle für ein Geschäft Milch führt und Anny als Bürolistin tätig war. Die älteste Tochter ist mit einem von Moos aus Unterwalden verheiratet und auf einer Farm. Der einzige Sohn und ein Töchterchen ruhen schon auf dem Friedhof. Ich weiss aber nicht, was sie etwa denken von uns, da es auch geht wie bei Deiner Schwester und sie noch herzlich wenig vernommen haben von uns. Vielleicht, dass sie Dir dies schon „gänzen“. Ich glaube aber, jetzt auf Neujahr hin, werde der Vater schon wieder einmal energisch zur Feder greifen.

Schon tritt uns ja die schöne Zeit von Weihnachten und Neujahr wieder nahe. Wie ich ungefähr gerechnet, fällt die Ankunft und das Wiedersehen Deines Bruders gerade in 6 diese Zeit und von Herzen wünsche ich Dir dann recht schöne Tage und gleich jetzt schon ein glück- und segensvolles Neujahr. Weiss nicht wie und wo ich die Zeit etwa erlebe, falls mir im Stellen suchen Erfolg beschieden wär.

Nun ist noch zu schreiben, dass Dein Onkel Franz diese Woche nach Altdorf und sich daselbst einer Operation unterziehen wolle. Dass er schon lange magenleidend ist, wird man Dir ja schon mitgeteilt haben und dass leider jede versuchte Heilung vergeblich war.

Ins Laimbachers sehe man auch trüben Tagen entgegen, da Josefina jeden Tag an Kräften abnehme. Wenn man sich in solche Fälle hineindenkt, kommt man erst recht zur Einsicht, wie schön es ist, wenn im Familienkreise alles gesund und wohl sich befindet. Gott sei Dank dürfen wir uns dieses Glückes freuen und befindet sich alles gesund und wohl in Haus und Stall.

So will ich mich zum Schlusse wenden, mein Liebster. Ich habe Dir jetzt meine Krämli ausgepackt und bitte Dich ein Aug zu zutun, wenn etwas zu viel oder zu wenig geschrieben ist und mir nichts übel zu nehmen. Ich hoffe, dass die Zeilen Dich recht gesund und „gusber“ antreffen und schliesse mit den allerbesten Wünschen, die der lb. Herrgott erfüllen kann. Hab nochmals aufrichtigsten Dank fürs Empfangene und sei in christlicher Liebe vielmal herzlich gegrüsst und geküsst von Deinem treuen

 

                            Käthy Betschart

​

bottom of page