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Schwyz, 27. Sept. 1927

Liebwerther Alois!

Nach langer Zeit will ich auch wieder ein Zeichen geben von meinem Leben. Dein lb. Brieflein habe ich gestern auf dem Wege zum Schäfli erhalten und ich danke Dir recht herzlich dafür. Einesteils freut es mich, sehen zu können, dass mein Charakter auch wirklich Achtung und Liebe bei Dir geniesst und es Dir an der Sache gelegen ist. Anderseits bedaure ich selber die Verhältnisse, durch dessen Willen sich das Schreiben so lange aufschieben liess. Deinen vorletzten Brief mit den 4 Bildchen habe ich erhalten und es hat mich, wie übrigens alle sehr gefreut. Ich nahm mir vor zu antworten, sobald ich eine Stelle hät. Dies zog sich dann leider hinaus bis Mitte Juli. Als ich dann, als wir verheuet hatten, plötzlich in Seelisberg in eine strenge Stelle kam, wo ich mir dann keine Zeit mehr hätte nehmen können um meine Gedanken, die viel bei Dir weilten aufs Papier zu bringen, und es war mir sicher auch nicht egal, Dir den Dank und die Antwort so lange Schulden zu müssen.

Die Karte von dort, die ich dann endlich als kurzes, frohes Lebenszeichen Dir hinübersandte, wirst Du aber inzwischen doch erhalten und gesehen haben, dass ich Dein warmes Herz nicht vergessen habe. Du darfst nun nicht glauben, dass ich etwas liederiges gegen Dich habe oder sonst durch irgend einen Grund gleichgültig geworden sei 2 an Dir. Wenn mir nun wieder eher Zeit und Gelegenheit gegeben ist, werde ich wohl kaum mehr so lange schweigen. Wohl aber bedenk ich selbst bei aller Liebe doch immer und darfst, mein Lieber, auch Du es nicht vergessen, dass uns eine gar lange Zeit zur Bekanntschaft gegeben ist und dass sich inzwischen gar allerlei Schicksale füge, und einen regelmässigen Briefwechsel auch wieder hemmen könnten, wo man sich vielleicht doch besser hineinfinden könnte, wenn man von vornherein ein bisschen zurückhaltend ist. Der lb. Herrgott walte über uns nach seinem heiligsten Willen und lasse unser Tun und Lassen uns zum Segen und Glück gereichen.

Wie Du mir weiter geschrieben, will Dir Deine Stelle nicht mehr recht behagen. Ich glaube gern, dass man nun das liebe Geld und allerlei Widerwertigkeiten in Kauf nehmen muss und man dem lb. Herrgott danken kann, wenn man immer gesund und rechtschaffen und christlich sein Leben fristen kann und schlechte Gesellschaft ferne bleibt. Ich befinde mich immer gut, bin jetzt wieder daheim im Kreise meiner lb. Angehörigen, wo es auch weder drinnen noch draussen an Arbeit fehlt. Wenn nur auch Sankt Peter einmal gnädiger wär. Die Arbeitsverhältnisse sind da wieder anders als in Seelisberg. Es hat mir doch trotz der Strenge gut gefallen und ich habe die Saison gut abgeschlossen und ein schönes Zeugnis in Empfang nehmen können. Am nächsten Samstag ist dort Kilbi, ich soll dann nochmals zur Aushilfe dort hin. Eine Zürichbieterin hatten wir dort auch als Gast, die vor der 3. Amerikareise stand und ich war ziemlich verwundert, 3 wie sie so ganz kaltblütig und ohne geringste Aufregung die Reise antrat. Es war für sie eben nichts aussergewöhnliches mehr.

Bei uns hat sich nichts wesentlich geändert und hoffe, dass Du die Begebnisse, die nicht immer viel Gemütlichkeit weisen, schon etwa vernimmst, ohne dass ich viel Wesen daraus mache. In Deiner Verwandtschaft ist scheins auch herbes Leid eingekehrt. Dass Dein Cousin so jäh, im schönsten Lebensalter aus dieser Welt scheiden musste. Ja der Tod ist unbarmherzig und keinen Augenblick kann man wissen, wann einem der Herrgott ruft und Rechenschaft fordert. Man darf wohl hie und da um ein gutes Sterbestündlein beten. Es wären noch allerlei Kleinigkeiten zu verzapfen, die Dich aber vielleicht nicht am meisten interessieren und mir den Brief auch gar lange machten.

Die Viehausstellung ist nun auch vorüber und ist wie gewöhnlich abgelaufen. Wenn ich auch sonst lieber tanze als schreibe, so habe ich mir so manchmal das Gegenteil gewünscht.  Und das lb. Schreiben von Dir, das ich am Morgen noch gelesen, machte eben einen herzlichen Eindruck. Mit Interesse verfolgte ich einige Schwyzer Amerikaner, die erst kürzlich heimgekehrt sind und freudig und begeistert beim Anlasse sich einfanden.

Nun will ich aber schliessen. Ich hoffe, dass Du mir nicht übel gesinnt bist und für Deine lb. Briefe, sowie die Bildchen nochmals herzlich dankend, lege ich Dir nun endlich auch solche bei, die ich schon lange Dir zugedacht und immer wieder dem schuldigen Brief beilegen wollte, aber es 4 nicht dazubringen konnte, bis ich bald eher glaubte, sie hätten den Wert für Dich verloren und Du könntest vielleicht anders von mir denken, worüber mir aber nun Dein lb. Brieflein Aufschluss gegeben hat und aufrichtige christliche Liebe hat fühlen lassen. Das andere von Seelisberg ist das einzige, das ich für mich hatte und das ich Dir nun auch gebe. Es bildet gerade das Gegenteil zu den andern, die mir aber auch ein liebes Andenken sind an schöne sorgenfreie Jugendtage, die wir friedlich und glücklich in gottesfreier Bergwelt zubringen konnten, und so Gott will auch weiterhin beschieden sind. So möge dieses Brieflein Dich nun recht gesund und munter antreffen wie ichs aus frohem Herzen abschicke. Du wirst auch nicht daran zweifeln, dass ich Deinem jungen ehrlich liebenden und geliebten Männerherz um aus Gleichgültigkeit und Kälte so schweigsam begegnet sei. Ich wusste ja wohl, dass Du solches nicht verdienet hast und mein eigenes Gewissen hat es auch nicht erlaubt. Aber es musste einfach so kommen und wir können uns glücklich schätzen, weil keine schlimmeren Schicksale uns entgegentreten, denn eine gar unbestimmte Zukunft liegt vor uns, die wir aber frischen frohen Mutes aus der Hand Gottes annehmen wollen, wie er es zu unserem Besten uns schickt.

Von Herzen wünsche ich Dir immer wieder unser lb. Herrgottenglück und dass Du brav und christlich bleibst und indem ich Deine lb. Grüsse und Küsse herzlich erwidere, verbleibe ich Dein treues

                            Käthy Betschart

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