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Schwyz, 14. Mai 1927

Lieber Alois!

Da nun die Woche gut zu ende und grad so ein schöner Mondscheinabend ist, will ich ihn etwas geniessen und ein Stündlein bei Dir verweilen. Dein lb. Brieflein hat mich sehr gefreut und ich sage Dir herzlichst Dank dafür. Es ist mir auch wohl zu Herzen gegangen, da es manch warme Worte enthält und die ganze Schreibweise von gutem Charakter zeugt und hoffe ich, nicht nur durch schöne Worte enttäuscht zu sein, sondern wie Du sagst, dass sie auch wirklich aus dem Herzen geschrieben sind. Umsomehr bedaure ich, solches erst jetzt erfahren zu können, da wir nun einander so ferne sind und ein Wiedersehn ungewiss ist. Nun, es liegt in Gottes Hand und er allein weiss, was für uns am besten ist.

Auch danke Dir für alles neue, das Du berichtet hast, von Deiner Gegenwart. Du bist schon etwas in amerikanisch grosszügigen Verhältnissen.

Dass Du nun etwas näher bei Verwandten bist, kann mir auch gefallen, und wird Dir vielleicht einigermassen die Heimat ersetzen. Dass aber Deine Meistersfamilie von dem bitteren Leide verschont geblieben, und Du und der Föhn Alois eine recht angenehme, wohl angebrachte Unterhaltung hättet finden können, hät ich Dir doch von Herzen gönnen mögen.

Du bist jetzt wohl auch etwas näher bei Deinen Reisekollegen und dem Gwerder Franz. Zwar weiss ich nicht, wo er nun etwa ist, man vernimmt herzlich wenig von ihm, aber allem Vernehmen nach soll er lange stellenlos gewesen sein. Das Glück wird ihn aber doch nicht ganz im Stiche gelassen und ihn auf bessere Wege geführt haben. Du bist vielleicht nun besser auf dem laufenden von seinem Geschick oder 2 Missgeschick.

Bis jetzt hab ich auch kein guter Erfolg gehabt mit dem Stellen suchen. Einerseits erlaubten und wünschten es sogar meine lb. Eltern, dass ich zeitweilig etwas mehr unter fremde Leute könnte um die Umgamgsformen mit der sog. "besseren Gesellschaft" mehr aneignen zu können, was einem unter Umständen später auch von Nutzen sein könne, man wisse ja auch nicht, was einem fürs spätere Leben bevorstehe und was man in jungen Jahren gutes und nützliches lerne, sei ja auch Kapital. Anderseits wäre daheim auch genug Arbeit vorhanden und ist es darum nicht grad so leicht, eine allerseits passende Stelle zu erhalten, doch kann sich eine solche im letzten Augenblick noch finden lassen, wie auch schon.

Ich würde Dir, lieber Alois, gerne viel neues berichten, aber ich bin selber zu wenig auf dem laufenden, was drunten alles vorgeht. Ich denke aber, Deine lb. Angehörigen werden Dir die Vorkommnisse Deiner Heimat schon etwa mitteilen und wirst Du auf anderen Wegen etwas vernehmen, was Dich interessiert.

Wir freuen uns jetzt der schönen Maienzeit, denn da oben steht nun auch alles im herrlichsten Blühet und ringsum ertönt der heimelige Viehglockenschall und ich wollte, dass auch Du die Freude an all dem haben könntest. Aber auch das Beten zur Marienkönigin vergess ich nicht.

Trotz der schönen Zeit war ich aber die letzten Tage nicht grad in gemütlichster Stimmung, da mein treuer Wächter und Begleiter, unser Prinz ausgelebt hat, nachdem er 2 Tage zahm und unfrässig war, sich aber besonders zutraulich erwiesen hatte. Da er sehr anhänglich war, vermisse ich nun 3 seine Gesellschaft, sein immerfreudiges Wedeln, besonders aber seine treue Wache. Da er sehr wahrscheinlich jemandem im Wege gewesen ist, so ist es bei diesem Gedanken für mich nicht gerade einladend zeitweilig allein im Rätigs zu sein. Aber der lb. Vater wird schon etwa wieder der rechte Weg finden.

Ins Laimbachers sei jetzt auf gütlichen Wege geteilt worden und sei dem Karl das Heimwesen "Allenwinden", dem Franz das Vaterheimen, dem Paul 9000 Fr. und jedem Meitli 4000 Fr. zugefallen und wird nun jedes etwa sehen, wies sich zu fügen hat. Obs nun genau so ist, kann ich nicht urteilen "vom ghörä sägä, lehrtmä susch lügä". Wies die Meitli etwa haben mit den Schätzen, ist mir nicht bekannt und kann ich Dir nichts berichten, was Dich ja vielleicht mehr interessieren würde.

So will ich nun schliessen und zu Bette gehen, die Zeit verrinnt so schnell und am Morgen heissts auch früh auf um nach verrichteter Hausarbeit um 8 Uhr zur Kirche zu kommen. Vielleicht kann ich Dir ein andermal mehr schreiben, vielleicht von einem Freund und Schulkameraden von meinen Vater, der seit mehreren Jahren in Sacramento ist und regelmässig Briefverkehr pflegt mit dem Vater. Auch ein Stiefbruder vom Vater weile in San Franzisco, doch muss ich über die Sache zuerst den Vater befragen.

Ich danke Dir nun nochmals herzlich für Dein lb. Brieflein und vergelte Dein warmes Empfinden gerne mit derselben Herzlichkeit.

Ob wir nun auch auf ein Aug in Auge schauen verzichten müssen, so sind halt meine Gedanken dennoch am liebsten bei Dir "lieber Aloisy". "S isch ja scho ai chly ä zächi Nuss, weisch," aber in vertrauensvollem Gebet find ich immer wieder Trost.

Also, behüt Dich Gott und empfange nun auch das versprochene Bild und mit ihm recht viele lb. Grüsse und ein süsser Kuss v.

Deinem

                            Käthy Betschart

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