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Banta, Calif, den 17. April 1927

Lieb Werthe Käthe!

Trotz später Abendstunden will ich mich wieder setzen um Dein vor Wochenfrist erhaltenes lb. Brieflein zu beantworten, welches mich sehr freute und es Dir herzlich verdanke. Mit Sehnsucht habe ich wieder auf eine Nachricht von Dir gewartet, denn weisst, in der fernen Fremde nimmt man gern ein Brieflein besonders von einer so lieben Seele. Man bekommt da immer wieder frischen Lebensmut und die Zeit vergeht viel schneller. Es vergeht wohl keine Stunde des Tages ohne dass mein Sinn nicht über Land und Meer geht, zu Dir, um in Gedanken bei Dir zu verweilen, was wir leiblich leider vermissen müssen.

Du wirst vielleicht etwas erstaunt sein, von mir wieder Nachricht aus California zu erhalten. Man kommt eben in der Welt herum ohne fast selber zu wissen, wie. Will Dir kurz schreiben, warum ich wieder einen so 2 grossen Sprung (zirka 2 Tage Bahnfahrt) genommen habe. Wie Du weisst, musste ich bei Dettling auf dem Feld arbeiten und hatte so ziemlich weniger Lohn als Melker. Wenn einer gegangen wäre, hätte ich dann melken können und auch mehr Lohn erhalten. Da es aber nicht den Anschein hatte, dass bald einer gehen wolle, habe ich wieder um eine andere Stelle geschaut. Ich schrieb dann meinem Cousin, Alois Föhn von Aufiberg, der 4 Tage vor mir von seinem lieben und dem schönen Schwyz Abschied genommen hat, um sein Glück in Californien zu versuchen. Vielleicht kennst Du ihn, hat zuletzt über ein Jahr bei Inderbitzen, Sennerei Grund, gearbeitet. Er schrieb mir zurück, dass er bei einer Schwester von meiner lb. Mutter selig arbeite und ich auch noch Arbeit bekommen würde, bei besserem Lohn als in Washington. Da im ganzen 4 Tanten hier in Californien sind, habe ich gedacht, dieses auch einmal kennen zu lernen und so habe ich meine Sachen wieder gepackt, von Washington Abschied genommen und gen Californien gefahren, 3 wo ich heute vor 5 Wochen angekommen bin.

Es gefällt mir hier nun auch gar nicht schlecht. Ich muss auch wieder auf dem Feld arbeiten, die grösste Zeit aber fürs melken. Ender hat sich vor 21 Jahren mit meiner Tante verheiratet und sie sind dann sofort über das grosse Wasser gefahren um in der neuen Welt ihr Glück zu machen. Bis vor 5 Jahren hat er immer bei einem Baumeister gearbeitet. Dann hat er sich eine kleine Farm gekauft, die er aber vor 2 Jahren wieder verkaufte um dann hier eine solche von 80 Juchart Land zu kaufen. Er hat an die 130 Kühe, die mit Maschinen gemolken werden, welches ganz gut geht. Alle Tage so an die 11-1200 lt Milch. Wenn das in der Schweiz einer hätte! Dann hat er 8 Pferde, die es gegenwärtig ziemlich streng haben, denn wir sind im schönsten Heuet. Letzte Woche haben wir an die 50 Juch. Heu gemäht. Dieses wird mit der Maschine gemäht, einfach so liegen gelassen um es dann nach 2-3 Tagen 4 mit der Maschine „gschwarbnet und gstocknet“.  Stocknen muss man nicht mehr wegen dem Regen, so dass das nicht „brosmet.“ So wird es liegen gelassen bis die ganze Farm so ist, dann ladet man es auf den Wagen um es heimzuführen. Bis jetzt haben wir von der berüchtigten Hitze von Californien noch nicht viel gemerkt, es gebe hier aber immer etwas Luft und es werde nicht so heiss. Es wird uns aber wohl noch warm genug werden im Sommer, „aber es isch si nur ums gwännä z’to”

Leider wurde die Familie Ender vor 4 Monaten von einem schweren Auto-Unglück heimgesucht, wodurch dem 2 Töchter zum Opfer gefallen sind. Ein Sohn und 2 Töchter von 15 und 17 Jahren fuhren damals nach Tracy, zirka dreiviertel Stunden von uns weg (Du wirst es auf der Weltkugel jedenfalls schon finden) ins Theater. Auf der Strasse hatte ein Güterzug zufällig Halt gemacht und war noch ohne Licht. 5

Das Auto fuhr dann in den Zug und das Unglück war geschehen. Ein Mädchen starb 4 Stunden darauf, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben und das andere 8 Tage später. Der Sohn hatte einen wüsten Armbruch und sich am Gesicht ziemlich verletzt. Er ist aber nun wieder gut in Ordnung. Es ist besonders für die Mutter Ender schwer die fast 2 erwachsenen Töchter zu verlieren, besonders da diese 2 die einzigen waren und nun nur mehr 6 Söhne hat. Ja, dass wir sterben müssen, wissen wir, aber wann, wo und wie wir sterben, wissen wir nicht.

Es schadet das unserer Gemütlichkeit auch etwas, denn es sollen lustige Mädchen gewesen sein, die Tanz und Scherz auch liebten. Föhn Alois könnte auch noch Handorgeln, aber so ist alles aus. Am Güdelmontag habe ich mich sehnlichst nach Schwyz und besonders zu Dir gewünscht. Nach Ferndale konnte ich nicht gehen, da ich bei Dettling für einen Melker einen Stringen melken musste, der 8 Tage fort war. Wir sind dann am Abend zu einem Nachbar gegangen und haben ein wenig auf einem Phonograph getanzt. Ich war aber nicht grad gut aufgelegt, denn mein Sinnen war immer wieder bei Dir. Aber man muss sich in der Fremde an allerlei gewöhnen.

Wie Du mir geschrieben, willst Du auch etwas in die Fremde. Ich hoffe, Du hast Glück gehabt und inzwischen einen recht guten Platz erhalten. Es tut das jedem jungen Menschen gut, wenn er etwas unter fremde Leute kommt. Man sieht und lernt allerlei neues, was man im späteren Leben immer wieder 6 brauchen kann.

Dein Geständnis von Deinen lb. Eltern wegen den Finanzen hat mich ehrlich gefreut. In Schwyz habe ich offen gestanden nie danach gefragt. Ich hab Dich einfach gern gesehen wie kein anderes Mädchen, aber dass ich mit Dir Bekanntschaft anfangen könnte, hab ich nie gedacht. Warum habe ich Dir schon geschrieben. Wir wollen das wegen dem Geld nun ruhig bleiben lassen, man liebt sich ja nicht wegen dem Geld. Und sollte uns der Herrgott ein Wiedersehn beschieden sein lassen und sollte es sein Wille sein, dass wir zusammen kommen sollten (ich hoffe Du wirst diese Worte nicht für Übel nehmen), so wird er uns nachher auch nicht verlassen. Wir wissen es ja nicht wie es kommt, der lb. Gott ordnet und leitet alles schon wie es kommen muss. Hier habe ich noch immer Gelegenheit gehabt alle Sonntage die hl. Messe zu besuchen. Heute (Ostern) war die Kirche ganz voll und einen ergreifenderen Zwischengesang habe ich mein Lebtag noch nie gehört.

An den Klaustag denk ich auch noch oft und gern, denn da konnte ich mich mit Dir ein wenig aussprechen und hab auch das letzte Mal in Deine treuen Augen geschaut. Ich hoffe, liebes Käthy, es sei Dir das nächste Mal möglich Deine Photo dem Briefe beizulegen.

Und nun, mein Liebstes, nehme in diesem Briefe auch nicht Übel auf, was ich da aus meinem Herzen geschrieben habe, das auch viel an Dich denkt und ich darf es schreiben, auch jeden Abend für Dich betet. Möge Dich dieses Brieflein gesund und munter antreffen, wie es mich verlässt und empfange wieder die herzlichsten Grüsse und Küsse von Deiner lieben Seel

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N.B: Du musst mir dieses schlechte Papier verzeihen, ich hatte keins mehr und heute waren die Läden nicht offen.

Also, Leb Wohl!

Musste das zweite Blatt noch vom Föhn entlehnen.

Banta liegt zwischen Sacramento und San Franzisco, ist aber klein. In die Kirche gehen wir nach Tracy.

Es würde mir noch allerlei in den Sinn kommen zu sagen, wenn ich bei Dir wäre, nun ist aber für heute genug, sonst weiss ich das nächste Mal nichts mehr.

Die Fastnachtsbüchlein haben uns herzlich erfreut und ich sage Dir dafür herzlich Danke.

Alois Ehrler

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