top of page

Tracy (Calif) den 10. Juni 1927

Lieb Werthe Käthe!

Wieder ist ein heisser Tag zu Ende und hat einem kühlen Abend Platz gemacht. Es ist noch nicht so spät und ich will mich niedersetzen um Dein so lb. Brieflein mit Foto zu beantworten. Dank, herzinnigen Dank für Deine Zeilen, besonders aber auch für Dein so lb. Bild. Es hat mich das sehr gefreut und lange habe ich in Deine treuen Augen geschaut und wenn ich darauf die ersten Küsse in Amerika gegeben habe, wirst Du mir alles nicht verargen und dann hat mich auch Dein lb. Schreiben wieder herzlich gefreut. Es tut mir jedes Mal so wohl so charaktervolle mit Liebe und Ernst geschriebene Briefe zu lesen und ich schätze mich glücklich, dass ich mit einem solchen Mädchen in Freundschaft und Bekanntschaft treten konnte. Wir wollen nun der Sache den Gang lassen und dem Herrgott alles überlassen, es wird alles so kommen wie es in seinen unerforschlichen Ratschlüssen bestimmt ist.

Wie Du mir schreibst, hattest Du keinen guten Erfolg mit dem Stellen suchen. Ich hoffe aber, es habe sich nun während der Zeit noch etwas gezeigt. Es tut das allerdings jedem jungen Menschen gut, wenn er unter fremde Leute kommt. Der Charakter wird gefestigt, das Wissen und Können vermehrt, wenn jemand zu rechten Leuten kommt. 2

Meinen Platz habe ich auch schon wieder gewechselt. Ich habe Dir im letzten Briefe schon geschrieben, dass ich wieder lieber melken würde. Es ist nun einem Suter (er stammt aus dem Muotathal), der Knecht erkrankt. Weil das Heu bei Ender nun beisammen ist, konnte er einen entbehren und so fand ich wieder einen Platz zum Melken, nur eine Viertelstunde von Ender weg.  Suter hat nun etwa 30 Kühe. Da er auch melken hilft, gibt es nicht so viel zum Melken, aber er verkauft die Milch im Dorf. Diese wird in Literflaschen gemacht und so verkauft. Die Flaschen werden alle Tage mit Maschinen gewaschen. Der Meister fährt dann mit der Milch im Dorf herum und ich muss dann Listen und daheim etwa die Arbeit machen. Der Platz gefällt mir gut und ich glaube, nun einmal etwas längere Zeit zu bleiben als bisher. Aber man kann nichts sagen, es ist halt Amerika!

Gwerder Franz ist wieder nach San Franzisco gefahren, wo er gegenwärtig arbeitet, weiss ich auch nicht. Es soll ihn ziemlich herumschlagen. Mit den Gebrüdern Tschümperlin und Bolfing Franz habe ich immer Briefwechsel. Es melken alle drei. Von den Muotathalern habe ich schon lange nichts mehr gehört.

Am weissen Sonntag war ich das erste Mal in San Franzisco um die Osterpflicht zu erfüllen. Hier ist kein Geistlicher der Deutsch spricht, habe aber immer Gelegenheit am Sonntag der heiligen Messe beizuwohnen. Nachmittags war dann Tanz und am Abend Theater mit nachher Tanz. Du wirst denken, 3 das mache sich nicht gut - am Morgen die Ostern machen und am Abend tanzen. Aber wie Du ja auch weisst, kann ich nicht gut ruhig sitzen und zuschauen wie andere auf eine schöne Schwyzermusik einen Walzer tanzen. Und dann hat man nicht immer Gelegenheit dazu.

Beim Tanz habe ich auch Schnjder Schuler Josef mit Frau und Bub getroffen und die grösste Zeit mit diesen getanzt. Es geht ihnen ganz gut. Er arbeitet auf einem Schiffshafen und sie verdient fast mehr, aber mit waschen. Ich glaube, sie haben schon schön Geld beieinander. Er trinkt nichts mehr und geht alle Sonntage in die Kirche, hat aber ziemlich lange Zeit noch der lb. Schweiz. Jedenfalls wird er sie wieder sehen. Dem Bub will es nicht recht gefallen, man könne ja nie Schlitten und Schlifschuh fahren, das sei doch langweilig, hat er zu mir gesagt.

Zu Laimbaches hat es jedenfalls noch einige Kraftworte abgesetzt bis geteilt war. Die Maitli werden nun wohl bald reiche Männer kriegen. Es ist ja recht, ich vergönne diesen Fräuleins keinen Burschen. Es nimmt mich schon Wunder, wie es geht, bis dort alle versorgt sind, vielleicht vergeht ihnen das Gifteln noch einmal. Werde Dir im nächsten Brief mehr schreiben im Falle, es Dich interessiert.

Dass es für Dich nicht gerade einladend ist, ohne Deinen treuen Prinz dort oben zu sein, kann ich gut glauben. Ich wollte, ich könnte Dir hie und da Gesellschaft leisten, 4 wüsste dir noch allerlei zu erzählen und würde es gewiss lieber tun als es hier aufs Papier bringen. Aber es ist nun halt einmal so und wir müssen es in Gottes Namen noch einige Zeit so machen, bis es, wenn es der Wille Gottes ist, wieder anders kommt.

Noch oft, wenn ich Dein lb. Bild betrachte, geht mein Sinn in die lb. Heimat und besonders auf den Platz neben der Kirche, wo wir uns das letzte Mal die Hand gedrückt haben. Von vielen Verwandten und Bekannten habe ich Abschied genommen, aber so ergriffen und zugleich wohl getan hat es mich nie, als ich das letzte Mal in Deine treuen Augen geschaut habe und Du die schönen Worte gesprochen hast: „Ich wünschter vo Herzä s’Herrgotte Glück“. Diese letzten bei Dir verweilten Augenblicke werde ich noch nicht so schnell vergessen.

Ich will nun dieses Brieflein wieder schliessen, es ist wieder ziemlich spät geworden und am Morgen heisst es wieder vor 4 Uhr auf. Lege Dir hier noch vier Bilder bei. Das Mädchen ist eine Cousine Marie Immoos von Morschach und der andere Föhn Alois. 

Für Dein so lb. Brieflein und Photo sage ich nochmals den herzlichsten Dank und hoffe, dass Du im Gebete so viel Trost erhältst, dass Dir die „Nuss“ nicht allzu hart wird und nun empfange dieses Brieflein gesund und munter wie es mich verlässt und empfange mit ihm auch wieder viele herzinnige Grüsse und ein oder viele süsse Küsse von Deinem                  

                                  Alois Ehrler

bottom of page