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Stanwood, den 6. Febr. 1927

Lieb Werthe Käthe!

Endlich nach langem Warten und starkem Sehnen habe ich heute auch "na Chiles" den ersten Brief aus der lb. alten Heimat erhalten. Die erste Post in diesem Lande. Dank, herzinnigen Dank für Deine so lb. umfangreichen, so warmen und von Herzen kommenden und auch zu Herzen gehenden Zeilen. Ja, solche Briefe gehn einem zu Herzen und tun einem wohl in der fernen Fremde. Denn wie Du so richtig geschrieben hast, Amerika ist eben nicht Schwyz. Nicht, dass Du etwa Angst haben musst, ich sei schon verdorben, man kann hier auch gut und christlich leben, aber die Gefahren sind, wie Du so schön geschrieben hast, viel grösser. Ich hoffe aber mit der Gnade Gottes zu bleiben, was ich bin und zwar nämlich christlich und brav.

Vor 4 Wochen habe ich hier den ersten Platz angetreten. Der Meister, ein Dettling 2 von Goldau hat zirka 80 Kühe und 20 Rinder. Er hat 2 Melker, ein Heinzer von Muotathal und ein Luzerner. Ich arbeite im Freien und muss ein paar Kühe melken, werde aber, wenn ein Melker fortgeht, eine Melkerstelle annehmen, da man bei dieser Arbeit mehr verdient. Wir sind 15 Min. vom Dorfe Stanwood weg, ungefähr so gross wie Arth und die Farm grenzt ans Meer. Es ist da etwas langweiliger als in Ferndale, da es nicht so viele Schwyzer hat, aber es gefällt mir hier wie überhaupt in Amerika viel besser als in Frankreich und es hat mich noch keinen Augenblick gereut, dass ich ausgewandert bin. Arbeiten muss man ja da auch, aber am Sonntag hat man dann doch frei nach der Stallarbeit. In die Kirche gehn können wir alle 14 Tage, per Auto jeweilen am 11 Uhr, wenn es am 9 Uhr angeht, werden wir mit der Arbeit nicht fertig. Aber man muss es eben machen, wie es geht, wenn ich in Schwyz wäre, würde ich auch jeden Sonntag gehen, alles kann halt nicht in der Heimat bleiben und ich hoffe gern, Du werdest an diesen Sonntagen meiner 3 in der hl. Messe auch gedenken und für mich auch ein andächtiges "Vater unser" beten.

Wie ich aus der Schwyzer Zeitung ersehe, herrscht bei Euch wieder ziemlich die Grippe. Es wird das der Gemütlichkeit während der Fastnacht ziemlich schaden wollen. Aber trotzdem würde ich nichts anderes wünschen als am Güdelmontag ein paar Tänzli mit Dir zu tanzen im "Schäfli" droben, wir würden da wohl manches zu erzählen haben. Aber auf das müssen wir nun verzichten, der Herrgott allein weiss für wie lange oder für immer? Wir können nichts sagen und wollen ihm alles überlassen und es immer etwa nehmen wie es kommt.

In Ferndale, es liegt etwa 75 km von hier weg, ist am Güdelmontag auch Schwyzer Maskenball. Ich weiss noch nicht, ob ich auch gehen kann, denn das Tanzen habe ich noch nicht vergessen! Aber es geht doch viel gemütlicher hier als letztes Jahr in Frankreich. Dort verstand ich nichts und es war überhaupt keine Fastnacht. Allerdings ist mir die franz. Sprache, wenn es 4 auch nicht so gut ging bei der Durchfahrt von Frankreich nach dem Meer, doch gut gekommen und man kann sie vielleicht noch oft gebrauchen. Von den 6 mitfahrenden Schwyzern habe ich bis heute noch nichts vernommen und ich weiss nicht, wie es ihnen geht. Mit dem Gwerder Franz "St. Agatha" würde ich gern wieder einmal reden, hoffe allerdings die Adresse von allen mit der Zeit zu erfahren.

Liebe Käthy! Ich will dieses Brieflein wieder schliessen, indem ich für Deine so lb. inhaltsreichen und tröstlichen Zeilen nochmals den herzlichsten Dank ausspreche. Ich muss auch schreiben wie Du mir geschrieben "ich hätte nie geglaubt, dass Du so aufrichtig und rührend Deine Gedanken mir anvertrauen würdest, denn Du weisst ja auch, dass ich nichts hatte als meine Gesundheit und ein paar hundert Franken Erspartes, die ich dann für die grosse Reise fast wieder brauchte. Aber wenn es der Wille Gottes ist, wird es schon noch besser kommen.

Also, nochmals herzlichen Dank und empfange die herzlichsten Grüsse und Küsse von

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Ich lege Dir da ein kleines Bild bei, habe leider jetzt keine grössere, muss mich wieder einmal abnehmen lassen. Wenn sie Dir nicht gefällt, kannst sie wieder zurückschicken. Im andern Falle würde ich mich freuen, auch eine von dir zu erhalten.

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                                  Alois Ehrler

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