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Schwyz, den 11. Jan. 1927

Werther Alois!

Schon sind 6 Wochen dahin, seit wir uns die Hände zum Abschied drückten. Inzwischen erfreutest Du mich durch freundliche Grüsse und am 3 Königentag "grad na Chilles" erhielt ich ein Brieflein von Dir, was mich über alles freute und es dir herzlich verdanke.

Nun weilst Du drüben im fernen Westen und hast die grosse ersorgliche Reise glücklich überstanden. Die Seekrankheit hat dir scheints nicht viel gemacht. Aber in Basel, wie ich vernommen habe, sollt ihrs doch recht gemütlich genommen haben. Ihr habt gewiss machen wollen, dass euch der Abschied von Schwyz minder schwer falle und ihr auf der Reise etwas zu verzapfen habt. In Amerika hast auch wieder gemütliche Gesellschaft gefunden, die 2 nach Schweizerart sich lustig machte.

Es freut mich sehr so guten Bericht zu vernehmen. Ich hätte wirklich nie geglaubt, dass Du so aufrichtig und rührend Deine Gedanken mir anvertrauen würdest. Du musst Dich aber nicht ärgern darüber, dass wir nicht früher Freundschaft pflegten, es ist mir ja auch nicht besser gegangen, denn Du warst von mir auch immer gern gesehen. Aber gerade Dir wär ich auch nicht gerne nur ein Spielzeug gewesen und dass ich als einfaches Obdörflermeitli von Dir aufrichtige freundschaftliche Liebe erhoffen dürfte, kam mir nie in den Sinn. Nun, es musste eben sein, dass unsere Gedanken uns gegenseitig verschleiert blieben, bis zu dem Tage, wo wir zum Abschied uns die Hand drückten. Du hast mich in Deinem Briefe, Dein aufrichtiges, warmes Empfinden für mich fühlen lassen, welches ich Dir von Herzen erwidere. Möge Gott und unsere Schutzengel uns immer den rechten Weg führen und über alle 3 Rosen- und Dornenpfade bei guter christlicher Gesinnung bleiben lassen.

Lieber Alois! Vergiss ja nicht, dass Du in einem weltfremden Lande und gar vielseitigen körperlichen und seelischen Gefahren ausgesetzt bist. Gib deshalb wohl acht, in was für Gesellschaft du Dich aufhältst. Der beste Weg der zu wahrem Glücke führt, ist der, mit dem Wegweiser "Bete und Arbeite". Aber auch eine vernünftige Erholung und Freude zu gegebener Zeit, wird Dir gewiss niemand verwehren, wenn Du nur immer als charakterfester, ehrlicher Mann Dich stellen kannst. Und sollte uns früher oder später ein Wiedersehn beschieden sein, so würde mich und gewiss auch Deine und meine lb. Angehörigen nichts mehr freuen, als wenn wir wissen, dass Du brav und christlich geblieben bist und Dein guter ehrlicher Name treu bewahrt hast.

Dein geäusserter Wunsch für Dich zu beten will ich gerne erfüllen, denn es gibt mir Hoffnung, dass Du meinen soeben geäusserten Wunsch, welcher 4 gewiss auch zu Deinem eigenen spätern Glück ist, auch umso eher erfüllen kannst. Deinen Wunsch aber, Deinen Brief zu verbrennen, komme ich nicht nach und wünsche auch, dass Du diese meine Zeilen auch aufbewahrest, dass sie Dich in den nie ausbleibenden Stürmen des Lebens jeweils wieder aufmuntern mögen.

Ich will nun schliessen, aber nicht ohne Dir ein gutes glückhaftes Neujahr gewünscht zu haben. Neujahr ist zwar schon vorbei, aber mein aufrichtiger Glückwunsch wirst Du doch vollgültig annehmen. Die Fastnacht hat angefangen, aber so gewöhnliche lustige Sachen zu berichten bin ich jetzt nicht in Stimmung, hoffe aber wenn möglich, sie ein andermal nachzuholen.

Also, nochmals Gott befohlen in christlicher Liebe grüsst Dich recht herzlich

                            Käthy Betschart

                     Bodenlegers

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