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Salinas (Calif), den 09. Dez. 1929

Mein Herzlieb!

Wenn Du diese Zeilen erhalten wirst, werden die Weihnachtstage und Neujahrstage unmittelbar vor der Tür stehen und so möchte ich Dir vorerst und auch Deinen lb. Angehörigen eine recht gesegnete Weihnachten und dann auch ganz besonders ein glückhaftiges neues Jahr gewünscht haben. Die Zeit eilt! Es ist mir als seien erst einige Wochen verflossen, als ich von den Ferien kommend Dein so schönes Neujahrskärtchen mit den sinnreichen Sprüchen in Empfang nehmen konnte und schon ist wieder ein Jahr vorbei. Mit dem sterbenden Jahr können wir Gott sei Dank ganz gut zufrieden sein. Der Herrgott hat uns immer gesund und wohl erhalten und er hat unser Verhältnis so gestaltet, dass unsere gegenseitige Liebe und Treue nicht etwa abgenommen, sondern noch zugenommen und er hat unsere Bekanntschaft 2 so gedeihen lassen, dass sie mit der Zeit ihren Zweck und ihr Ziel erreichen dürfte. Möge es auch in den kommenden Tagen so bleiben, bis wir uns einmal tief Aug in Aug schauend unsere Liebe mündlich gestehen können. Dann möge Dich Gott wie auch Deine Lieben und mich selber das nächste Jahr immer gesund und wohl erhalten und möge es Dir in allem so gut gehen, wie ich es Dir aus vollem Herzen wünsche. Also, allseits frohe Festtage und mit einem innigwarmen Küsschen möchte ich Dich vom alten ins neue Jahr hinüberleiten, wenn die Glocken an Silvesternacht dem alten Adieu und dem neuen Willkomm läuten werden.

Deine lb. Briefe von Seelisberg und von Daheim habe ich mit Freuden und herzlichem Dank erhalten. Wie ich demselben ersehe, hast Du wieder einen sehr strengen Sommer hinter Dir und ich kann Dir gut glauben, dass es Dir daheim wieder recht gut gefällt. Nun, es ist halt nicht immer so leicht fremdes Brot essen zu 3 müssen, habe auch schon genug von demselben gekostet. Die Hauptsache ist aber immer, wenn man sich einer guten Gesundheit erfreuen kann und wegen diesem haben wir uns Gott sei Dank nicht zu beklagen.

Meine Schwester hat mir, wie Du ja weisst, auch wieder einmal geschrieben. Betreffend dem Verhältnis mit Lindauer war ich wirklich etwas überrascht und ich hätte fast eher eine Verlobungskarte erwartet als ein Abbruch. Denke aber es wird wohl das Beste gewesen sein. Es war aber scheins nicht fast in Verlegenheit und seinem neuen Schatz kannst dann einen extra Gruss ausrichten. Marie hat mich gefragt, was ich über ihn denke. Die Antwort war, wenn er ist wie seine Schwester, werde es gewiss einen rechten «Mändel» bekommen.

Du hättest auch wieder Gelegenheit gehabt eine Bekanntschaft anzufangen. Toni ist gewiss gut genug und dürfte es ein Mädchen nicht schlecht machen mit ihm. Hoffe, dass er die Absage nicht allzu schwer 4 genommen hat und Dich wieder vergessen kann. Schreiben von unserem Verhältnis werde ich ihm nicht, denn es dürfte besser sein, wenn wir den Rat Deiner lb. Eltern befolgen und es nicht zu sehr auskommen lassen. Es ist ja immer noch früh genug.

Mit Bedauern habe ich auch von der nicht so freudigen Lage Deines Bruders gelesen. Hoffen wir, dass er durch diesen Fall zu etwas besserem Einsicht kommen wird.

Meine Karte zum Namenstag wirst Du wohl erhalten haben. Ich hätte in jener Zeit bald eine Blutvergiftung bekommen. Ein Züribieter und ich kamen eines Abends von der Schule heim, natürlich mit dem Auto. Als wir es unter Dach hatten, bin ich in der Dunkelheit (die Schule dauert von 7 ¼ - 9 ¼ Uhr) über ein Stück Holz gestolpert und habe an der rechten Hand ein wenig Haut abgeschossen. Ich strich etwas  Vaselin drauf und am andern Tag habe ich wieder beidemal gemolken. Aber am Freitag nach dem Melken war der Arm stark aufgeschwollen 5 und ich hatte einen roten Streifen bis unter „s’Achs“. Also ein nicht Grad gutes Zeichen. Ich ging noch am selben Abend zum Arzt und dieser gab mir Ware zum die Hand baden. Am Samstagmorgen war es schon besser, musste wieder baden und zum Doktor gehen. Die Gefahr war dann vorüber, konnte aber nicht arbeiten bis Dienstag. Es war dann in San Franzisco gerade eine der besten Schweizer Jodler und Musiker, die Gebr. Moser aus Bern. Diese spielten gerade am Sonntag und es gingen von Salinas zwei Autos voll hinauf. Ich hatte dann schön Gelegenheit zum Mitfahren, versäumte auch nichts. Am Konzert waren etwa 1500 Personen und man hörte nur ein Salb. Mr. Eberhardt war auch mit seiner Frau da. Anny konnte nicht kommen, denn es musste zum „Chlinä luägä“. Ich habe es dann am Montag aufgesucht. Es hat ein schönes Maitli. Ich habe ihm zwar glaube nicht recht gut gefallen, es wollte wenigstens nicht lachen, trotzdem mir Anny erklärte, es lache sonst jetzt schon gegen 6 alle Männer. Das gibt noch eine gemütliche bis in 18-20 Jahren! Wir kamen am Montag 10:00 Uhr abends wieder in Salinas an (es ist etwa 150 km ein Weg) und haben dann die zwei so gut verlaufenen gemütlichen Tage bei einer Familie Baumann, die auch mit uns waren, mit einem währschaften „Znüni“ beendet. Dienstag musste ich noch einmal zum Arzt die Hand zu zeigen und konnte dann am Abend die Arbeit wieder aufnehmen.

Meinem Bruder Josef geht es recht gut in diesem Lande. Er hat immer noch den ersten Platz und er befindet sich wohl dabei. Der Meister ist ein Amerikaner und er kann somit gut Englisch lernen. Er muss mit der Maschine melken, hat aber etwas weniger Lohn als ich. An der Schwyzer Kilbi war er hier. Die Schweizer in Salinas haben oft Schweizer Tänze in einem Farmerhaus, dessen Kosten immer ein anderer von den Teilnehmern bestreitet. Ich hatte im Laufe des Sommers schon oft an einigen Tänzen teilgenommen und um auch etwas von der Kilbi zu merken, gab ich 7 dann einen solchen Tanz. Josef kam mit unserem Cousin Louis Ender und es haben sich beide sehr gut amüsiert. Es ging aber auch sehr gemütlich. Josef und Karl Tschümperlin, Schnider Schulers Sefäl und zwei Urner haben aufgespielt. Es waren etwa 30 Personen. Aber dasjenige, das ich am liebsten hier gehabt hätte, hat leider gefehlt und es hat vielleicht in der Heimat von mir geträumt. Wir wollen aber hoffen, dass es wieder einmal anders kommen wird und wir uns zusammen auch wieder einmal im Kreis drehen können.

Auf Neujahr bekomme ich nun auch wieder Ferien und ich kann dann meinen Bruder und meine Verwandten aufsuchen. Vielleicht, dass ich nur 6-7 Tage nehme und den Rest nächsten Sommer um mit Louis Ender einmal nach Los Angeles zu fahren. Es wird sich alles etwa zeigen.

Marie hat mir im letzten Brief geschrieben, dass Du keine rechte Photo hast von mir zum Aufstellen. Du wirst mir dieses verzeihen. Seit mehr als einem Jahre bin ich auf kein Bild mehr gekommen. Ich habe nun Deinen Wunsch erfüllt und mich letzthin einmal allein aufnehmen lassen. Das Bild werde 8 ich morgen erhalten und damit Du es eher auf Weihnachten erhältst, werde ich es mit der Flugpost schicken. Vor mehr als einem Jahr wurde ein Photo von der Farm gemacht. Ich war aber gerade in den Ferien als man es kaufen konnte und als ich zurückkam, waren sie schon verbraucht. Nun haben sie wieder nachmachen lassen und ich kann Dir auch bald ein Bild von meiner Arbeitsstätte senden.

Und nun dürfte es für heute genug sein. Es sind nun schon mehr als drei Jahre verflossen, seit ich Dir das letzte Mal in die Augen schauen konnte. Genau vor drei Jahren sind wir auf dem Meere gewesen und da habe ich auf der langen Reise oft und gern an Dich gedacht. Aber mein lb. Käthy, ich darf Dir versichern, dass ich nach all den Jahren nicht weniger an Dich denke. Und wir wollen nun Gott danken und ihn bitten, dass er fernerhin unsere Liebe und Treue im gleichen Masse erhalten möge und uns im kommenden Jahr immer gesund an Leib und Seele erhalten. Verlebe also frohe Festtage und indem ich Dich innig grüsse und küsse verbleibe ich

Dein treuer

                                  Louis

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