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Schwyz, den 22. April 1928

Mein lieber Alois!

Mit freudig frohem Herzen setze ich mich nieder um Dir einige Gedanken zu übermitteln. Vorerst aber empfange meinen aufrichtigen Dank für das vor Wochenfrist erhaltene lb. Schreiben, das mich über alles freute und meinem Herz eine wahre Wohltat war. Schon sann ich danach, ob etwa ein Brief verloren gegangen oder sonst nicht alles in Ordnung sei, dass mein Erwarten so lange umsonst war. Doch vergass ich nicht, wie Du an mir auch schon hast Geduld üben müssen und nun vielleicht ähnliche Fälle von mir auch solche verlangen. Nun aber bin ich sehr erfreut über die guten Nachrichten und dass Du eine schöne Stelle gefunden hast, die Dir auch angenehme Unterhaltung bietet und wie ich gerne hoffe, dass ihr als aufrechte, an Leib und Seel gesunde stramme Schwyzer einer schönen Heimat alle Ehre macht durch gut gewahrten frohen Schwyzermut. Auch gebe ich mich der schönen Hoffnung hin, dass Du mir, lb. Alois, in Freude und Wohlergehen auch den schönen christlichen Grundsätzen treu und immer ein lb. braver Alois bleibst. Gerne möchte Dir das noch Fehlende hie und da in Erfüllung gehen lassen. Denn, dass es viel behaglicher und schöner wäre, “selbander” auf dem Kanapee vertraulich von Herz zu Herz zu plaudern, statt hier aufs Papier zu „klagen“, das kann ich mir natürlich auch einbilden und war es auch schon öfter mein leiser Wunsch. Aber in Gottesnamen, Hoffnung ist ja das Brot der Armen und weil‘s nun dem lieben Gott einmal so gefällt, stellen wir 2 uns auch zufrieden damit. Ich denke, wenns,  ja wenns einmal zu einem solchen Wiedersehen käme, würde uns dieser Verzicht die Augen nicht mehr stark trüben und weder Freude noch Liebe vermindern. Aber der Herrgott weiss, ob und wann uns dies Glück zuteil werde.

Auch besonders schönen Dank sage ich Dir für die freundl. Grüsse von und an Herrn Eichhorn. In seinem Schreiben hat er mich ordentlich gelobt wegen den Grüssen, die Du ausgerichtet habest. Es haben mich diese auch sehr gefreut, fast umso mehr noch, dass ich mich dessen Auftrages nicht erinnern kann. Gültig freilich sind sie dennoch, und halte ich solche auch für die Zukunft bereit. Auch Du musst einen guten Eindruck auf ihn gemacht haben, dass er schrieb, Du habest ihm nebst Gesundheit auch ziemlich hellsehend und sparsam erschienen und er wünsche uns viel Glück und Segen. Der Vater freut sich nun auch, ihn gesund und in gutem Befinden zu wissen.

Wie ich Deinem lb. Brief weiter entnehme, machst Du auch schöne Fortschritte in den Sprachkenntnissen. Fast möcht ich Dir gratulieren dazu. Es „zängglet“ mich schier, auch einige solche zu besitzen, obwohl man ja daheim nur das „Schwyzerdütsch“ braucht. Hingegen, wenn man mehr auf Saisonstellen wär, wie ich immer wünsche, wär das auch eine schöne und nützliche Sache. Einstweilen wirds aber noch sonst gehen, und wirst Du das Deutsche wohl nicht so schnell verlernen, dass wir uns deswegen etwa nicht mehr verstehen könnten, oder? Es wäre mir grad anzugeben, „einisch chli Gusinli dsi“ wär mir gleich Deutsch zu unterhalten.

Heute wollte es endlich der längst erwünschte Zufall mit Deiner Schwester ruhig über unser Verhältnis plaudern 3 zu können. So freundschaftlich die Beziehungen zwischen uns auch sind, ist sonst noch herzlich wenig verlautet worden wegen unserem Verhältnis, da meine Freundin (Käthy Lindauer Reisti) meistens etwa bei mir ist und ich mich in Gegenwart anderer nicht verschnapen will. Heute nach der Vesper trafen wir uns einmal allein und lud ich sie ein, mit mir in Dorfbach zu kommen, wo dann unterwegs allerlei zur Sprache kam. Dass die beiden Marie etwa sehr im Schrecken sind, scheint mir nicht. Wissen tun sie es schon eine Zeit lang, da ich’s Deiner Schwester einmal sagte und seither auch etwa hie und da kurze Bemerkungen gemacht wurden, ohne es jedoch meiner Freundin auffällig zu machen, die eben auch gerne neckt. Am letzten Sonntag waren wir miteinander bei den beiden Marie in ihrem und Deinem lb. Heim. Wir trafen uns wie gewöhnlich nach dem Nachmittagsgottesdienst und bei schönem Frühlingswetter schlugen wir ein kleiner Spaziergang ein. Doch wollten sie es nicht mehr anders gelten lassen, als dass ich zu ihnen komme, da ich sie am St. Josephstag auch auf kurzen Besuch hatte. Ein ganzes Rudel sass vor dem Hause mit Musik und gutem Humor, dass ich fast lieber ungesehen zurückgeblieben wär. Wir waren zwar zu viert, den Käthy Lindauer war auch bei uns. Mit der Scheu wars aber bald dahin. Kaum in der Stube und die Familienphotografie zur Hand, meldet sich auch der tanzlustige Bruder Paul, und während noch die Musik draussen, tanzten zwei drinnen. Und bald liessen sich alle hinein. Zuvor wars Weisser Sonntag und am Morgen habe die Andacht und viel gute Vorsätze gemacht 4 auch in warmer christlicher Nächstenliebe herzinnig für Dich gebetet, aber Gott verzeih’s mir, das Tanzen konnte ich halt nicht verschmerzen. Dein Bruder Josef war gerade auch daheim, da er tags zuvor dem Schweizerdrill abdanken konnte. Auch wir drehten uns in fröhlichem Kreisel und würde ich ihn gerne nochmals sehen, ehe er von der Heimat scheidet. Er dürfte sich allerdings etwas erholen und an Gewicht wieder zunehmen, da er wie er sagt 10 pfd. abgenommen habe und auch ziemlich danach aussieht. So verbrachte ich den letzten Sonntag im Kreise Deiner lb. Angehörigen, wo es an kurzweiliger Unterhaltung durchaus nicht fehlte und besonders Du mir in Gedanken immer nahe warst. Am St. Josephstag nach der Predigt waren die beiden Marie mit der ihnen und wie mir scheint, auch Onkel Melk gut befreundeten Marie Föhn bei uns im Elternhause. Es freut mich mit den beiden Marie so gut eins zu sein und empfinde momentan besonders viel warme Liebe für Dich, da es mir erfreut zu Herz ging, was mit Deiner guten Schwester heute geplaudert wurde. Ich freue mich auch mit ihr über das schöne Hochzeitsgeschenk, dass Du ihr zugestellt. Wie sie mir angedeutet, pressiert sie noch nicht sehr mit heiraten. Es ist das schon zu begreifen, wenn man die Verhältnisse auf Mangelegg einigermassen kennt, dann fühlt sie sich vielleicht doch auch noch wohl und unbesorgt im ledigen Stand.

Rosa Lindauer, die soviel ich mich erinnern kann, auch Deine Tänzerin war, feiert jetzt Hochzeit (mit einem Inderbitzin von der Hansmatt in Schönenbuch), der in der Fastnacht aus Amerika heim kam und nun Bemondin L’s. Land in Pacht hat. Al. L. ist vor einigen Wochen auch nach Kanada ausgewandert.5

Gegenwärtig führt der Winter wieder sein strenges Regiment mit Schnee und Sturm. Er wird sich aber wohl bald zurückziehen und werden wir uns dann des schönsten Frühlingsschmuckes freuen. Die Vögel, wie auch der muntere Viehglockenschall verkünden schon lange den Einzug dieser schönen Jahreszeit. Der Ausblick von meinem Stübli übers Schwyzer Dorf ist zu dieser Zeit besonders schön und erfreut und erinnert man dabei auch dankbar an unseren Schöpfer.

Päuli, der nun die Rekrutenschule gemacht und nachher noch eine Woche im Krankenhause zu bringen musste, ist jetzt auch wieder in unserer Mitte. Der gute Vater wünscht sich auch viel da herauf, ist aber gegenwärtig sehr verbunden mit der Bodenlegerei. Ich kann gottlob schreiben, dass wir uns alle gesund und wohl befinden. In einigen Wochen werde ich wieder auf der letztjährigen Stelle in Seelisberg eintreten. Freue mich zwar ordentlich darauf, bin aber nicht weniger besorgt, wie's dann daheim etwa geht. Die vorigen Jahre ging ich erst, nachdem das Heu unterm Dach war und mir etwa 7-8 Wochen währenddessen dann die Mutter meinen Posten versah. Dies Jahr trifft es sich aber bedeutend früher und länger und da im Dorfbach auch immer jemand da sein sollte, kann doch die lb. Mutter nicht beide Posten versehen und sind wir deshalb auf eine fleissige Person angewiesen. Man muss allerdings etwa gewärtigen, wie man damit versehen ist, aber man kann ja auch einmal probieren, und schliesslich wieder umkehren, wenns gefehlt gehen sollte. Ich will aber das Beste hoffen und wenns geht, dass meine lb. Angehörigen auch zufrieden sind, so ist es einmal meine Lust 6 mich mit fremdem Brot zu nähren und wie ich hoffe ein Notpfennig zu ersparen. Anfangs Juni, eventuell Ende Mai muss ich eintreten, dann Ende Juni ist in Schwyz kant. Schützenfest, wozu ich ums Servieren gefragt wurde und von Seelisberg die Dispens hab den „Sprung“ zu machen. Hoffentlich macht nichts aussergewöhnliches einen Strich durch die Rechnung. Wenn Du dann daheim wärst, kämst doch auch etwa zu Deinen Vetterleut zu Gast und „gäbs viellicht einisch Gspanä hei? Aber mä gwänt si amäl susch zfriedä dsi.“

Die Osterkarte wirst wohl erhalten haben, wollte aber fast lieber sie wäre verloren gegangen, als dass Du ihretwegen musst dem Necken „umäha“. Denke aber, wirst mit Ausreden nicht verlegen sein, hast ja viel Cousinen, Verwandte und Bekannte. Tschümperlin könnt seiner Schwester auch Nebenhochzeiter sein.

Es käm mir noch allerlei solches Geschwätz in den Sinn, muss aber endlich schliessen. Verzeih, dass der Brief so in die Länge gezogen ist, der nächste wird dafür jedenfalls kurz genug ausfallen. Nimm mir, lb. Alois, nichts übel auf, sondern in gesunder Stimmung, wie sie mich verlassen, mögen die Zeilen Dich antreffen. Für den erhaltenen lb. Brief sage ich nochmals besten Dank, es hat auch den lb. Eltern gefallen, dass ihre Worte gute Aufnahme fanden und wünsche ich Dir aus innerstem Herzen Gottes Gnade und Segen zu einem glücklichen Lebenswandel, wie ich ihn auch mir selber und all unseren Lieben wünsche. Gell, mein Lieber, Du hast doch auch hie und da eine fromme Bitte für mich und ein warmes Gefühl für den lb. kath. Glauben, der ja eigentlich der Grundstein unserer Liebe ist? Also, behüte Dich Gott, mein liebster Alois und empfange die herzinnigsten Grüsse und Küsse von Deinem treuen

                            Käthy Betschart

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