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Schwyz, den 7. Febr. 1928

Mein lieber Alois!

Mit frohem Gruss verdanke ich Dein lb. Brief von Herzen. Hat mir viel Freude gemacht. Auch die lb. Bildchen sind mir sehr willkommen. Wenn diese nicht trügen, meine ich Du habest “nüd triäd”, machst aber das Aussehen zu einem gesunden, munteren Wohlbefinden und das ist ja die Hauptsache und das erfreulichste. Ebenso angelangt sind auch Deine freudlichen Neujahrsgrüsse und haben uns freudig überrascht und spreche ich Dir für alles den innigsten Dank aus. Besonders gefreut hat mich auch Dein direktes Schreiben an die lb. Eltern, obwohl sie unser Verhältnis kannten und ich es ihnen von jeher offen anvertraute, ohne dass sie widersprachen. Du wirst mir meine Offenheit ihnen gegenüber nicht übel nehmen, da sie sich auch drum interessieren und ich ihnen gerne einiges Vertrauen erweise, da sie ja auch immer liebevoll um unser Wohl besorgt sind. Zwar ist des Vaters Antwort etwas kurz ausgefallen, denn er meinte, es genüge dies und weiteres überlasse er wieder mir und wirst Du deswegen nicht etwa Misstrauen haben, dass meine Eltern Dir nicht herzlich gesinnt seien.

Über Deinen Aufschluss vom Verhältnis zu Deinen lb. Angehörigen bin ich auch ermuntert, diesen etwas mehr Vertrauen zu schenken. Hätte dir gern von ihren allfälligen Äusserungen geschrieben, fand aber leider bis jetzt keine günstige Gelegenheit, um mit den beiden Marie über dieses Thema zu plaudern.2

Deiner Schwester habe ich letzthin unser Verhältnis bekennt und war sie natürlich nicht sehr überrascht. Ich denke zwar, dass inzwischen auch Lieni's Marie davon Kenntnis gehalten habe, erwarte aber baldige Gelegenheit, wo ich die Antwort auf ihre an Dich gestellte Frage zuverlässig ausrichten und damit auch Dein Wille erfüllen kann.

Nicht besonders freut mich das Geschick des Gritli. Obwohl mir bisher nur schlechthin bekannt, ist es mir doch nicht sehr angenehm, denken zu müssen ihr liebes Mädchenherz von Dir verdrängt zu haben, besonders wenn Du ihr Anlass gegeben hättest ihre Hoffnung und Liebe auf Dich zu setzen. Will jedoch hoffen, dass sie sich hierüber nicht allzu sehr gekränkt habe und ihr das Glück noch zuteil werde, das sie verdient auf dieser Erde. Schliesslich hat eben jedermann, so auch wir, allerlei Missgeschicke zu gewärtigen. Und besonders grad unser Verhältnis, meine ich, sei allerlei misslichen Möglichkeiten ausgesetzt, doch wollen wir uns umso williger den Fügungen Gottes unterstellen und lebensfroh uns in die Zukunft begeben, so wir uns auch ermunternd der Vergangenheit erinnern. Obwohl es ein etwas misslicher Gedanke ist, dass uns das  Vergnügen nicht zuteil ward, uns hier persönlich näher kennenzulernen, so muss ich auch immer denken, dass ich mich manchmal einsam genug fühle, ohne dass uns nähere Beziehungen beschieden waren, welche ich mir damals und seither noch oft von Herzen wünschte. Deine Heimbegleitung am Klaustag wäre mir natürlich auch lieb gewesen, da Du aber sagtest, dass ihr daheim Abschied feiern wollt, hielt ichs für selbstverständlich, darauf zu verzichten. Nachher aber bedauerte ich, Dich nicht 3 zu einem Besuch bei mir eingeladen zu haben, welchem Du Deinem Schreiben nach vielleicht auch Folge geleistet hättest. Da ich aber aufrichtige Gegenliebe von Dir nie erwartete, hielt ich mich nicht der Rede, solches zu äussern und ist mir solches Einladen überhaupt nicht eigen. Aber eine unterhaltliche “Dorfet” mit dem lb. Alois hätte ich mir damals sehnlichst gewünscht. Fast ein wehmütiges Gefühl erfüllte mich am selben Dienstagabend, als von einem lieblichen Plätzchen des Obdorf ein schöner Jauchzer ertönte, der wohl auch mit Gefühl von Deinem Mitgefährten Bolfing als letzter Gruss dem schönem Schwyzer Boden gewidmet war. (Der Bolfing war damals in Liebschaft mit der Nachbarstochter Elis Schilter und da wir seinen Jauchzer kannten, nahmen wir an, dass dieser dort Abschied feiern wolle.) Es waren nicht grad alle gemütlichen Stunden, die ich zur selben Zeit verlebte, aber es liess sich nun schliesslich bisher doch alles gut gestalten. An die Begegnung auf dem Sonnenplätzli, von der Du schreibst, kann ich mich auch noch ganz gut erinnern, und ist mir, ich sehe es jetzt noch wie Du dort mit Schneid auszogest und mir einen freundlichen “Guttag” zunicktest, welcher ich gerne und mit inneren Freude erwiderte und dabei dachte, wär ich nur etwas früher “so häts villicht nu äs Ständli gäh.” Es war dies an einem Neujahrstag u. bei mir war des Vaters Schwester (leider nicht die Mutter, wie Du meintest).

Nun leben wir in der lustigen Fastnacht u. finden uns gut darin. Überall wären Unterhaltungsanlässe, wo man sich beteiligen könnt, doch befinde mich munter u. fidel ohne mich viel um diese zu kümmern. Ein schöner Tag war letzthin die Sennenkilbi, die allseits gut gelungen u. auch vom besten Wetter 4 begünstigt war. Dein Bruder Paul war auch strammer Sennenbub und neben ihm Sennenmeitschi Frl. Rosina Marty des Peter. Ausser die beiden Fähnrichen hatte dies Jahr jeder Senn nur eine Sennerin und waren es dann 16. Auf der Bühne war lebhaftes Treiben und abwechselnd Fahnenschwingen, Alphornblasen und jodeln. Was mir besonders gefiel, war der anziehende Jodler eines niedlichen Kinderpaares, den sie mit ihren hellen Stimmen zum Besten gaben. Auch die zwei Buben (vom Schützenhaus und Alpstubli) machten die Sache gut im Fahnenschwingen. Dann war auch ein interessantes Gespräch und ein schöner Schmitter-Reigen bildete zuletzt den Schluss. Der Tanz war im Bären, Ochsen und Schäfli gut besucht. Bauern und Dorfler und jeder Stand war vertreten und alles war in fröhlicher Stimmung. Jauchzen und singen und bödelen und gauerlen war da ganz „Trumpf“ und ich habe noch kaum ein Tanztag mitgemacht, wo es so fröhlich und heimelig hergegangen ist, wie an der letzten Sennenkilbi. Wie üblich war ich wieder im Schäfli. Meine Gedanken weilten dann auch viel bei Dir und wünschte ich aufrichtig, dass auch Du Dich in dieses schöne volkstümliche Treiben versetzen und die wohltuende Freude geniessen könntest. Ich will aber hoffen, dass auch Dir ennet dem Wasser eine gesunde Abwechslung beschieden sei und wünsche Dir auch nebst glücklichem Wohlergehen einige genussreiche herzensfrohe Stunden.

Der erste Fastnachtstag wies keine besondere Neuigkeiten auf, ausser dass ein Preisnüsslet stattgefunden, sonst war das Wetter zu wenig günstig für die Maschern. Daselbst habe ich auch das erste Restli getanzt mit Deinem Onkel Melk. Dabei frug er teilnehmend, ob Du mir immer noch hie und da schreibst, was ich dann zugab. Als er aber etwas schmunzelnd 5 frug, ob Du nicht wohl hie und da heimdenkst und ob ich nicht auch nach Amerika gehen möchte, tat ich etwas unwissend und erklärte, dass ich mich kaum von der Heimat trennen könnt. Du wirst diese Sprache begreifen und hoffe ich nicht, viel dagegen haben. Im übrigen freut mich die stete Freundlichkeit Deines Onkel Melk.

Die Weihnachtszeit habe ich in festlicher Stimmung zugebracht. Gefestet wurde zwar nicht grossartig, auch habe ich auf einen Pelz, den ich sonst als Geschenk gewählt, leichthin verzichtet. Ein frohes Herz und das Wohlergehen im Familienkreise, das war meine Festfreude beim Christbaum.

Ins Laimbachers ist jetzt Hochzeitleben, da es der Franz nun zu einer Frau gebracht hat. (Frl. Julie Heller von Wien, Pflegetochter des B. Nauer). Anny hat immer noch fleissig Zusammenkünfte mit Frz. Fässler, dass man meinen möchte, es sollte bald langen zu einem „Schick“ oder auseinander. Die anderen,  glaube ich,  wären „wieder zu haben“, ausser die jüngste, die ist seit bald einem Jahr sehr kränklich und wird schwerlich ein hohes Alter erreichen.

Wie ich vor langem schon einmal geschrieben, weilt auch ein Freund vom lb. Vater in Sacramento. Seine Adresse heisst “Herr Xaver Eichhorn-Aufdermauer, Kapital Dairy 315-16 Str.” Dieser Freund war ein Schulkamerad zu meinem Vater und beide sehr, sehr arm wie mein Vater jeweilen erzählt. Als junger strebsamer Bursche unternahm er die Reise ins ferne Amerika, brachte mehrere Jahre dort zu und trat dann wieder die Reise an in die Heimat. Einige Jahre verlebte er hier, verheiratete sich inzwischen und ungefähr in den Jahren 16-17 nahmen sie wieder Abschied von der lb. Heimat um ihr Glück in der Ferne zu machen. Ich erinnere mich noch, wie sie am St. Josefstag kamen 6 um dem Vater zu gratulieren und mit aufrichtigen Glückwünschen uns allen Lebewohl sagten. Soviel wir wissen, ist er immer auf dem gleichen Platz wie schon früher (in einem Milchgeschäft), hat aber leider in den letzten Jahren finanzielles Missgeschick und Unglück gehabt. Als gute Freunde wurden regelmässig zur Jahreswende Briefe gewechselt, aber dies Jahr hat Eichhorn noch nicht geschrieben. Er zeigte sich so recht als guter treuer Freund, als anno 1919 der Vater das Heimwesen kaufte. Wenn Du mir etwa gelegentlich Auskunft verschaffen könntest von seinem Verhältnis, wär‘s mir recht, da sich der Vater auch immer sehr interessiert um seinen Schulkameraden. Mühe machen musst Dir aber deswegen keine. Vielleicht bist ja wieder in ganz anderer Gegend, bis die Zeilen bei Dir anlangen, ist auch gar himmelweit weg, mein Liebster.

Ein Stiefbruder vom Vater wäre auch in Amerika, doch ist mit diesem seit 20 Jahren kein Brief mehr gewechselt worden, da damals ein heimkehrender Schwyzer dem Vater einen Bericht brachte, im Auftrag vom Bruder, worauf der Briefwechsel rundweg abgeknüpft wurde. Der Bruder werde diesen Sommer mit Frau und Tochter und Schwiegersohn seiner Heimat und allen Verwandten noch einmal einen Besuch abstatten und hoffen wir, dass sich dann ein Missverständnis aufklären wird.

Nun will ich schliessen, indem ich noch ein gesundes Wohlbefinden meiner lb. Angehörigen melde. Pauli ist heute als junger Vaterlandsverteidiger nach Bellinzona eingerückt, doch nicht sehr freudig.

Also, liebster Alois „Gott befohlen“, empfange nochmals besten Dank für Deine lb. Schreiben und in dem ich Dich vielmal herzlich grüsse und küsse verbleibe in christlicher Liebe Dein treues

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Beiliegend zwei Aufnahmen von der Sennenkilbi, Dein Bruder Paul und Rosina an seiner Rechten wirst schon erkennen

                            Käthy Betschart

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