top of page

Schwyz, den 1. Dez. 1927

Mein Lieber Alois!

Den herzlichsten Dank für Dein langersehntes lb. Brieflein, welches ich vor 14 Tagen erhalten habe. Es hat mich wieder von Herzen gefreut, obwohl ein paar Tränen der Rührung aufs Blatt fielen, da Du Deiner lb. Mutter selig auch in ferner Fremde so ehrend gedenkest und ihre letzten Mahnworte treu im Herzen trägst. Es wird einem so warm, wenn man solch heimatlichen Sinn und Anhänglichkeit zu einer frühverstorbenen Mutter lesen kann, umso mehr noch, wenn einer von frühester Jugend an sein Brot selber verdienen und des Lebens Ernst erfahren musste.

Dass Du noch so viele Geschwister hast, war mir bisher unbekannt. Ich glaubte, dass nach Dir noch zwei Brüder seien und der Pauli der jüngste sei, wie der unsere. Werde die anderen vielleicht schon noch etwa kennenlernen.

Wie sich aus Deinem Schreiben ergibt, hast Du nicht im Sinn alt zu werden in Deiner neuen Stellung, dass nebenbei so witzig meinst, Du dürfst denk nicht immer schreiben, es gefalle dir gut, was ich Dir ja natürlich von Herzen gönnen möchte. Aber dass es nichts schadet, Land und Leute ein wenig kennenzulernen und immer wieder etwas Neues zu schöpfen, das leuchtet mir auch ganz gut ein. Wenn man schliesslich nur immer Arbeit hat und die Zeit gut ausnützt; Gott zu Ehren zu schaffen und zu beten und vorwärts zu kommen, dann kann sich ja auch unverhofft eine gute Anstellung finden lassen. Ich würde auch gern etwas weiter herumkommen 2 als bloss unter die Mythen, aber unsere Verhältnisse sind eben zum Zusammenschaffen und haben auch immer Arbeit genug. Mit der Bodenlegerei geht es gegenwärtig recht lebhaft und sind der Vater und die zwei älteren Brüder reichlich beschäftigt. Es ist dieser Verdienst gut zu brauchen, da die Landwirtschaft bekanntlich unter dem gedrückten Viehpreisen leidet, und man fast zwei verkaufen muss, um zu lösen, was vielleicht vor 3-4 Jahren für eins. Am Martinimarkt setzten wir zwei schöne mittlere Rinder ab für je 700 und 800 Fr. und wir hätten sonst gerne noch mehr, um einmal sauberen Tisch machen zu können, aber bei dieser Preislage wollen wirs doch lieber noch behalten und selber melken, obwohl wir das letzte Jahr schon zurückhielten. Es stehen jetzt sieben Kühe, teils melkig, teils trächtig, im Stall, sowie drei Maisrinder, drei Jährlinge und ein Kalb. Heu wäre übrig genug vorhanden, aber ausser im mittleren Stalle, wo es jetzt steht, hat das Vieh in keinem Stalle Platz und werden wir aus dem Grund, wenn möglich, noch etwas absetzten. Hoffen wir, dass wieder einmal bessere Zeiten kommen.

Da wir aber bald Weihnachten feiern, wünsche ich Dir lieber Alois, dass Du sie recht gesegnet und fröhlich zubringen kannst. Und dann zum neuen Jahr wünsche ich Dir recht viel Glück und Segen und gute Gesundheit, und alles was unser lb. Herrgott Dir geben kann zum Nutzen und Segen für Leib und Seele. Alle Deine Wünsche liegen auch uns im Herzen. In wenigen Tagen ist wieder Klausenmarkt und ich erinnere mich so ganz lebendig, wie’s vor einem Jahr gewesen ist da Du treulich mir die Hand zum Abschied drücktest und einer unbestimmten Zukunft entgegen von der lb. Heimat und allen Lieben, was eine solche in sich bergen kann, Dich verabschiedetest. Es konnte dies einen so besonderen Eindruck auf mich ausüben, wie ichs vorher nie begriffen hät, 3 obwohl ich Deinen Wegzug von jeher bedauerte. So erfreut ich auch am selben Abend nach Hause ging, da wir, wenn auch harmlos, so doch von Herz zu Herz geplaudert hatten und Deine Freundlichkeit mich überraschte, so konnte sichs mir nachher, da ich bei schönem Schlittweg fast tagelang allein war, doch manchmal so schwer aufdrängen, dass es mir heiss und kalt wurde und mit bitteren Tränen zu kämpfen hatte und diese doch schön säuberlich verbergen musste um nicht ausgelacht zu werden. Besonders auch die Karte aus Basel als letzter Gruss aus der schönen Schweiz, liess so ein stilles Heimweh zurück. Trotzdem auch Deine Schwester, als sie mir zweimal je am Sonntag nach dem Gottesdienst frdl. Grüsse ausgerichtet hatte, noch betonte, Du wirst mir schon schreiben, (ohne dass ich mir aber von meinem Empfinden etwas hät was anmerken lassen), hät ich doch nie erwartet, was ich nun im verflossenen Jahr durch Deine so schönen lb. Briefe erfahre.  Ja Gottes Vorsehung ist unerforschlich und möge sie auch weiterhin segnend über uns walten.

Mit Vorliebe lese ich immer wieder Deine lb. Briefe und die Bildchen und sie freuen mich fast je länger je mehr, da sie immer wieder einen schönen männlichen Charakter verraten, der Gott sei Dank die Gefahren Amerikas bis jetzt gut überwunden und sich ehrlich durchgerungen hat und ich schätze mich glücklich, Dich, wenn auch weit entfernt, aber als braver christlicher Bursche achten und lieben zu dürfen. Nur beim Schreiben schätze ich mich nicht ganz glücklich, weils mir auch gar nicht aus dem Kopfe will, wenn ich noch so viel gute Gedanken drin hät, Dich zu erfreuen und wenns nötig aufzumuntern. Als bester Ersatz aber bete ich allertage etwas für Dich.

Im letzten Briefe ist mir zwar etwas aufgefallen. Ob ich 4 Deiner Schwester Marie einmal etwas gesagt habe? Nun, seit dem sie mir lb. Grüsse ausgerichtet hat, einer als letztes Anliegen noch auf dem Tram, dann wieder aus England, wo das Schiff eine Zufahrt gemacht habe und worüber ich so ermuntert war, begegnen wir uns viel freundlicher und sie hat schon mehrere mal gefragt, ob ich «Bricht» habe, worüber ich entsprechend Bescheid gab und etwa flüchtig mitteilte, wo Du seiest und was Du machst, im übrigen aber die schönen Worte für mich behielt, ausser dass ich einmal verlautete, ich hätte von Dir nie solche Schreiben erwartet, was ja auch Tatsache ist. Auch der Melk hat hin und wieder gefragt, das erste Mal sogar was der Schatz mache, worauf er die kurze Antwort erhielt „schnufä, aser nit verstikt.“ Auch er ist immer recht freundlich und ich will gar nichts anderes annehmen, als Du habest Dich nebst den Grüssen sonst noch irgendwie geäussert. Oder ob man uns nur Briefwechsel zugemutet hat, weil man uns zu Klaustag gesehen hat, und ich mich in diesem Fall mit meiner Offenheit blamiert hätte, hierüber wäre mir nun wahrheitgetreuen Aufschluss sehr erwünscht. Ich hätte zwar die Deinigen schon oft gerne gefragt, wieso sie solches Wissen, hielt aber immer wieder zurück und dachte, ich könne ja dann immer noch mehr Interesse zeigen oder nicht, je nachdem sich die Verhältnisse etwa gestalten. Es sind mir Deine Angehörigen sonst auch lieb und schenke ihnen auch gerne einige Aufmerksamkeit. Und der Marie kann ich ihre neckische Meinung auch gut übersehen, es ist ja das Necken in solchen Fällen eine alte und beliebte Mode, aber ich sorge gerne dafür, dass man mir auch zukünftig keinen Gebrauch machen kann davon. Meinen lb. Eltern allerdings ist unser Verhältnis gut bekannt, und wirst Du es auch begreiflich finden, dass sie sich über Deinen Lebenswandel sehr interessieren.

Empfange nun, Liebster, dieses Brieflein recht gesund und munter, wie es mich und uns alle verlässt und nimm mir nichts übel, wünsche Dir nochmals recht glückliches Wohlergehen, indem Du dem frommen Wunsche Deiner lb. Mutter selig treu nachkommst und ihre Seele Dich auch weiterhin begleiten. In seliger Weihnachtsstimmung grüsst und küsst Dich recht freundlich Dein treues

                            Käthy Betschart

​

bottom of page