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Salinas (Calif), den 10. Oct. 1931

Mein Liebstes!

Ich will zur Feder greifen um meinem Kartengrüsschen, das Du hoffentlich erhalten hast, den versprochenen Brief folgen zu lassen. Dein Brieflein habe ich also wie auf der Karte schon bemerkt, mit Dank erhalten. Ich will Dir gerade offen sagen, dass er mich nicht so sehr gefreut wie alle vorherigen und Du hast da Deinen Gefühlen, wie Du ja selber schreibst, ziemlich ungeschminkt Luft verschafft. Ich kann Dich zwar gut verstehen, denn der verlorene Brief hat Dir jedenfalls manch schwere Stunde verursacht und es hat dies auch bewirken können, dass Du an meiner Treue Zweifel bekommen hast. Es ist dies auch der Grund, dass Du etwas aufgeregt in Deinem Briefe hast schreiben können, es könnte Dir die Geduld bei einem so armseligen Liebesverkehr doch 2 verleiden, für welches ich mich und besonders für die letzte Zeit bedankt haben möchte. Denn so zirka am 25. Juni gab ich eine längere Antwort auf Deinen Brief, worin ich natürlich auch von den bevorstehenden Ferien schrieb. Wenn du diesen Brief erhalten hättest, den etwa 14 Tage vor der ersten Karte hätte eintreffen können, hätte Dich diese nicht so in Verlegenheit gebracht. Die Karte habe ich auf dem Berg geschrieben, von dem ich Dir geschrieben, es sei der schönste Tag in den Ferien gewesen. Hätte ich gewusst, dass sie Dir so viel Kummer bereiten könnte, hätte ich gewiss, mein Liebstes, Zeit für ein kurzes Brieflein gefunden. Aber ich dachte eben, Du habest den Brief erhalten und freuest Dich im Geiste mit mir an meinen Tagen. Eine zweite Karte liess ich auf meiner Heimfahrt folgen. Und dann haben sie mir am Donnerstag die Mandeln rausgenommen, am Samstag konnte ich vom Spital heim, musste aber noch das Zimmer hüten, am Sonntag etwas 3 spazieren. Für eine Woche konnte ich, um die Wahrheit zu schreiben, nur Milch, dünne Eier und Suppe essen, da mir der Hals noch zu stark weh tat Dickes zu schlucken. Aber am Montag habe ich trotzdem an einem Reisebericht angefangen um Dir etwas von unseren Ferien zu erzählen, von der ich Dir damals ziemlich eingehend geschrieben habe. Ob ich oder ob Du mir nun gleichgülitg bist, darüber kannst Du nun selber urteilen. Ich hoffe nun, Dich mit dieser Antwort zufrieden stellen zu können und dass sich unser altes Verhältnis weiter entwickeln wird, bis wir uns einmal Aug in Aug schauen können und unsere Zukunft mündlich besprechen können. Oder, was meinst Du dazu mein Herzlieb! Möchte Dir auch noch herzlich danken, für das liebe Kartengrüsschen von Seelisberg, welches ich am Tage vor unsern Ferien erhalten habe und diese Zeilen mich sehr gefreut haben.

Ich will Dir nun noch einiges schreiben, was im verlornen Brief erhalten war. 4

Vorerst möchte ich Dir von Herzen danken für den schönen Vers, den Du mir auf meinen Namenstag gewidmet hast. Hoffe, dass Gott alle Deine schönen von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Wünsche erfüllen wird. Beim Teilen scheint nicht alles nach Deinen Wünschen und zu Deiner Zufriedenheit ausgefallen zu sein und sind Deine Gedanken, wie es scheint, nicht selten zu mir in die weite Ferne geeilt, sonst hättest Du nicht schreiben können, dass Dich unser Verhältnis nie auf eine so harte Probe gestellt hat, als in jenen Tagen. Ich wäre natürlich sofort einverstanden gewesen einmal an Deiner Seite zu ruhen um Dein schweres Herz mit einigen tröstenden Worten und Deinen klagenden Mund mit warmen Küssen zu beruhigen. Du hast mir in Deinem letzten Brieflein aus begreiflichen Gründen nicht mehr darüber geschrieben, ich hoffe aber doch, dass sich nun alles wieder geglättet hat und Du Dich mit Deinen Angehörigen in gewohntem guten Einvernehmen befindest. 5

Du hast mir auch einiges von der Hochzeit unserer Geschwister geschrieben. Wie es scheint, geht es recht gut. Marie hat mir letzthin die Hochzeitbilder gesandt, für mich, Josef und eine Tante. Es ist ein schönes Pärchen. Dem Marie muss ich nun auch einmal schreiben, hätte schon vorher, aber habe immer noch auf Dein Brieflein gewartet. Deinem Brief zufolge ängstigst Du Dich etwas um mein Leben, da Schnider Schuler von einem Auto getötet und ein Melk Föhn ermordert worden seien. Nun, dem Schuler ist es gut gegangen, besonders wenn es nicht ganz so schnell gegangen wäre und was Föhn anbetrifft, entsprach der Zeitungsartikel gar nicht den Tatsachen. Ich habe ihn selber nicht gekannt, aber wie man hörte, soll er ein guter Melker gewesen sein, aber nur zu häuslich und dies soll mit der Zeit dazugeführt haben, dass er nicht mehr recht im Kopf war. Gute Freunde haben ihm dann geraten, es sei für ihn das6 beste, wenn er in die Schweiz gehe, dessen Rat er dann auch hat befolgen wollen. Er ist dann mit der Eisenbahn zirka zwei Tage gefahren und da hat er sich in einem Anfall geistiger Umnachtung mit einem Rasiermesser den Hals durchgeschnitten. Das Geld ist dann bei ihm auch alles aufgefunden worden und er wurde dann nach Fresco zurückgenommen und dort beerdigt. Ich kann nicht begreifen, warum in der Zeitung nie keine Berichtigung erfolgte. Das Bulletin habe ich auch gelesen, bei dem ein Schweizer ermordet sein soll. Ob es wahr ist oder nicht, kann ich nicht sagen, aber es werden in der Heimat gern solche Sachen geschrieben, um die jungen Leute, oder noch mehr deren Eltern, auf die vermeintlichen Gefahren in Amerika aufmerksam zu machen. Seit ich in diesem Lande bin, habe ich allerdings noch nie gehört, dass ein Schweizer ermordet wurde. -Nun, für heute sollte es wieder einmal genug sein und ich hoffe, dass Dich dieses Brieflein erreichen wird und dass Du mir nichts für Ungut haben wirst und mich in allem verstehen kannst. Und nun mein Liebstes, Bhüt di Gott und empfange die herzlichsten Grüsse und Küsse v. Deinem treuen     

                                  Louis

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